Tod und Leidenschaft (German Edition)
was ihr beinahe in der Kehle stecken blieb, als sie die eingetretene Frau näher betrachtete.
Die vor ihr Stehende trug offensichtlich mehrere Röcke übereinander. Und es brauchte keinen geübten Modistinnenblick, um zu erkennen, dass die dunkle Farbe der obersten Lage von einem Konglomerat an Flecken herrührte. Der linke Ärmel der für die heiße Witterung viel zu dicken Jacke der Frau war an der Schulter ausgerissen und ihre Haube sah aus, als würde ihre Trägerin des Nachts auf ihr schlafen.
Als sie nun zu reden ansetzte, wehte eine eindeutige Alkoholfahne in Elizabeth´ Richtung und sie hielt instinktiv die Luft an.
„Ich such ne neue Haube, Miss. Ihr Laden ist mir nämlich empfohlen worden!“
Ihr schwerer Londoner Akzent passte eindeutig zu ihrer abgerissenen Kleidung, wenn sie sich auch bemühte, diesen Eindruck abzumildern. Scheinbar suchend ging sie von Regal zu Regal.
„Nun ja … in welche Richtung soll sie denn gehen?“
Das aufgedunsene Gesicht der Frau wandte sich Elizabeth zu.
„Also … schön soll se halt sein.“
„Schön soll sie also sein … An welchen Preis hatten Sie gedacht?“
Das Gesicht der Kundin versteinerte. Offensichtlich hatte sie die Petitesse der Tatsache vergessen, dass Läden im Allgemeinen eine Bezahlung für ihre Waren erwarteten.
„ Hmmm …“, machte die Frau und rieb ihr Kinn. „Nich zu teuer, wenn´s beliebt.“
Elizabeth schmunzelte innerlich bei dem Ausdruck, wahrte aber den ernsthaften Gesichtsausdruck, den man von ihr erwartete.
„Jaaaa … dann schauen wir mal …“ Sie wusste genau, welche Hüte und Hauben billig waren. So griff sie zu einer von ihnen und hielt sie der Frau entgegen. Deren Augen öffneten sich weit.
„Oh … das aber ne feine Haube, Miss.“
Nach einem kurzen Zögern nahm die Frau ihre eigene ab, erwartungsvoll, dass die Verkäuferin ihr sofort die neue aufsetzen würde. Doch Elizabeth verharrte. Sie ahnte weniger, als sie wusste, dass diese Frau nicht wirklich saubere Haare hatte, doch noch ehe sie sich etwas ausdenken hatte, hatte diese die Haube bereits geschnappt und aufgesetzt. Dann suchte sie einen eleganten Spiegel vor dem sie sich drehte und wendete.
Mit zufriedenem Blick betrachtete sie sich wohlwollend.
Da die Frau sich die Haube schwerlich würde leisten können, dachte Elizabeth ungehalten daran, dass sie länger würde bleiben müssen, um das gute Stück wieder zu reinigen.
„Gefällt sie ihnen?“
Und da traf sie ein Blick, den sie kannte. Kurz. Scharf. Doch sie war nicht schnell genug. Sie kam gerade noch dazu, die Arme auszustrecken, da hatte die Frau bereits die Ladentür aufgerissen und war auf und davon.
Elizabeth begann aus vollem Herzen zu schimpfen.
„Was ist denn passiert?“
Mr. Lewinsky blickte interessiert in den Laden.
„Ach … es tut mir Leid … dieses … Miststück … Sie hat die Haube gestohlen!“
In jedem anderen Laden wäre sie nun hinausgeworfen worden. Sie hatte Schuld daran, dass gestohlen worden war und die Diebin entkommen.
Der alte Mann senkte den Kopf. Eine tiefe Traurigkeit lag mit einem Mal über seiner Person und es zog Elizabeth das Herz zusammen, zu wissen, dass er einen solchen Verlust kaum verkraften konnte, so schlecht wie der Laden lief.
„Nun … mach dir keine Gedanken, mein Kind. Vielleicht tut die Haube ja noch einen guten Zweck, von dem wir beide keine Ahnung haben.“
Er warf den Blick auf das zurückgelassene Etwas vom Kopf der Diebin.
„Und das da verbrennst du besser!“
Elizabeth nickte, ergriff die Haube mit den Fingerspitzen und trug sie zum Kamin, wo sie kurz darauf von den Flammen in Asche verwandelt wurde.
X
Die elegante Wohnung wirkte beinahe überladen. Riesige Schränke und Anrichten dominierten den Raum und wo sich ein freies Plätzchen fand, standen in schwerem Silber gerahmte Bilder und Figuren aus Meisner Porzellan.
Der Tisch in der Mitte des Raumes, aus schwerem Eichenholz gefertigt, war Träger für eine aus mehreren Schalen bestehende, wuchtige Etagere. Hier präsentierten sich Pfirsiche, Weintrauben, Kirschen und andere Früchte als dekoratives Stillleben.
Wohl niemand wäre auf die Idee gekommen, von ihnen zu essen. Weder der gutaussehende Mann mit dem kurz geschnittenen, dunkelblonden Haar, noch die junge Frau, die mit einer Stickarbeit in der Hand sehr gerade auf einem Sofa saß und in gleichmäßigen Bewegungen die Nadel durch das Tuch führte.
Ihr blondes Haar war kunstvoll aufgesteckt, wenn auch ein einzelner, an
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