Tod und Leidenschaft (German Edition)
ich keiner von ihnen bin? Dass ich höher stehe, als sie alle?
Ich nehme den Löffel und lege ihn auf den Rand des Tellers.
Wenn ich nur essen könnte … Aber es gibt so viele von ihnen. So unendlich viele. Sie scheinen sich zu vermehren in einer Art und Weise, wie kein Wesen in der Tierwelt es je vermögen würde.
Es verdirbt mir den Appetit, wenn ich jetzt daran denke, mit welcher Geschwindigkeit sie sich meiner Straße nähern … Wann werde ich die erste dort unten vor meinem Fenster entdecken? Sie wird hochbrüllen. Bei Tag und Nacht. Ihre obszönen Aufforderungen werden mich nicht mehr schlafen lassen.
Verdammte Huren!
Das Klirren des Löffels schreckt mich auf. Der Teller ist zerbrochen. Suppe und Fleisch haben sich über die Tischdecke ergossen.
Da ist sie. Die Wut. Mein bester Teller. Eine frische Tischdecke. Alles verdorben wegen diesem Geschmeiß!
Mir wird heiß und meine Hände beben, als ich versuche, zu retten, was zu retten ist.
Wie klein und armselig ich doch bin. Es breitet sich in mir aus. Was werde ich erst tun, wenn die Huren vor meiner Tür kauern. Dreckige Männer unter meinem Fenster befriedigen …
Muss ich wehrlos zusehen? Tatenlos? Muss ich das?
Mein Atem geht viel zu schnell. Beruhige dich, mein Freund!
Ich raffe Tellerreste und Tischtuch zusammen und werfe sie in den Ascheimer. Dafür werden sie zahlen.
Es dehnt meinen Körper von innen. Weitet ihn bis an seine Grenzen aus. Alles scheint sich um mich zu drehen. Ich muss dem ein Ende machen.
Wenn auch sonst keiner die drohende Gefahr bemerkt – ich bemerke sie und ich werde einschreiten!
Der Druck in mir ist kaum zu ertragen. Ich höre meinen eigenen Atem. Draußen ist es dunkel. Der Nebel stielt die Sicht und der Gestank der Kloake kommt immer näher.
Bei Gott! Ich darf keine Zeit mehr verschwenden, jetzt da ich meine Aufgabe erkannt habe!
Herr vergib mir, denn ich habe schon zu lange gesäumt!
Meine Gedanken drehen sich nur noch um meine Tat. Ich will solch ein Dreckstück verrecken sehen! Wie ein Schwein soll sie krepieren.
Was ich an Messern finden kann, lege ich in meine Tasche. Scharf geschliffen sind sie.
Aber was, wenn das Schwein zu quieken beginnt?
Ich muss sie vorher betäuben … Aber ich habe nichts! Ich bin schlecht vorbereitet! Hätte ich nicht am Morgen schon eines der Fläschchen einpacken können, das die Ärzte vor Operationen benutzen? Wie habe ich nur so töricht sein können?
Aber es muss mir jetzt egal sein. Dann muss es eben ohne das Mittel gehen … Nur wie?
Gott wird mir helfen!
Ich bin mir sicher, er wird mir zur rechten Zeit zur Seite stehen!
Der Nebel kratzt in meiner Kehle aber ich bezwinge den Husten. Meine Schritte hallen laut in der leeren Straße.
Müsste ich nicht müde sein nach solch einem Tag? Aber ich bin es nicht. Frisch und erholt fühle ich mich.
Mag meine Aufgabe auch eine schwere sein – ich werde sie meistern!
Jeder kann schon an meiner Haltung sehen, dass ich Großes zu tun mich aufgemacht habe.
Ich lasse meine stille Straße hinter mir. Dort ist das Haus, wo am Morgen die Hure stand. Als ich einen dunklen Fleck auszumachen glaube (was schwer ist bei all dem Dreck), wallt es in mir auf.
Wie konnte ich nur den Fehler machen und das Dreckstück am Leben lassen? Nein! Nein! Ungeduldiger Freund. Doch die mäßigende Stimme in meinem Innern kann mich nicht besänftigen.
Ich hätte sie fertigmachen müssen.
Der Lärm dringt immer stärker in meine Ohren. Mit zügigen Schritten nähere ich mich dem Kern der Kloake.
Noch eine Häuserecke und ich befinde mich mitten im Gewühl. Der Gestank ist so überwältigend, dass ich versucht bin, ein Taschentuch vor mein Gesicht zu drücken. Mein Magen hebt sich. Das Geschmier ist um mich herum, wie eine dreckige, stinkende Woge. Diese Stimmen … das unverständliche Kauderwelsch … Lumpen, die sich in Hauseingängen herumdrücken.
Ich springe zur Seite, als neben mir eine Tür aufgeht und jemand seinen Nachttopf direkt vors Haus schüttet.
Ein Teil trifft eine alte Frau, die gleich einem lebenden Lumpenbündel an einer Laterne kauert. Dabei kann man nicht einmal genau sagen, ob sie noch lebt. Nicht mal Kot und Urin bewegen sie zu einer Reaktion.
Jetzt ist der Schlamm überall. Ich sehe kaum noch meine Füße. Dränge mich durch die Herumstehenden. Sie berühren mich und ich kann mich kaum noch beherrschen.
Was verlangt Gott mir ab, dass ich mich hier bewegen muss?
Bettelnde Hände recken sich mir entgegen und versuchen,
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