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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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stolz, als ich sah, wie gut sie aussah. Nervosität und Angst waren aus ihrem Gesicht gewichen, und sie hatte sich die Haare glatt gekämmt.
    Meine Lippen tauchten in die Cola, wie ein Pony seine in einen Teich tunkt.
    »Ich glaube, er war so durcheinander im Kopf, dass er sich in die falsche Tasche gegriffen hat, Shug. Er hat eine ziemliche Summe dagelassen. Mehr als er dachte, schätze ich. Und weißt du, auf welchen Gedanken mich das bringt? Das bringt mich auf den Gedanken, dass ein Junge, der so hart arbeitet wie du, es sich verdient hat, heute Abend ins Kino zu gehen. Glaubst du, du würdest mich heute Abend gern ins Kino ausführen?«
    Granny Akins konnte nicht gut kauen. Sie hatte nicht mehr allzu viele Zähne im Mund, und auch die waren nicht mehr die besten. Sie war kränklich und dürr, aber das wäre sie vielleicht auch mit Zähnen gewesen. Ihre Haare waren irgendwie weiß, aber nicht ganz. Ihre Haut sah aus wie aus trockenen Blättern, die auf die Straße gefallen waren und darauf warteten, zu zerfallen. Ihr gehörte das winzig kleine Akins-Haus außerhalb der Stadtgrenze. Sie wohnte darin und lebte von der Wohlfahrt und vom Zeitungaustragen; ab und zu half ich ihr dabei, vor allem im Winter.
    Einmal kam sie nach ihrer Zeitungsrunde vorbei und setzte sich eine Weile. Sie meinte, sie hätte Neuigkeiten, teilte sie uns aber etwa drei Zigaretten und ein Glas von Glendas Tee lang nicht mit. Auch Granny trank gern einen Schluck von Glendas Zeug, machte sich aber gar nicht erst die Mühe zu behaupten, es wäre Tee.
    »Carl kommt nach Hause«, erklärte sie. »Einen Teil der Strecke kommt er mit dem Flugzeug, dann nimmt er den Bus.«
    »Ist er …?« fragte ich.
    »Hat er nicht gesagt, Junge. Noch nicht.«
    »Na, egal – ich kann’s kaum erwarten! Carl mag Sachen, die ich auch mag!«
    Onkel Carl war Reds kleiner Überraschungsbruder. Für Granny, die gedacht hatte, ihr Körper sei zu alt, um noch ein Baby auszubrüten war er ein »Überraschungsbaby« gewesen. Carl kam achtzehn Jahre nach Red auf die Welt und hatte sich im letzten Frühling bei den Marines gemeldet. Wir alle, sogar Red, passten bei den Nachrichten immer ganz genau auf, ob es Neuigkeiten von Carls Einheit gab, bis das Telegramm kam, in dem stand, dass er schwer verletzt sei und ausgemustert würde. Er hatte eine ganze Weile in einem Krankenhaus mit mexikanisch klingendem Namen gelegen und darauf gewartet, herauszufinden, ob er für den Rest seines Lebens humpeln musste oder wieder lernen konnte, richtig zu gehen.
    »Wir freuen uns alle, ihn zu sehen«, sagte Glenda. »Ich hoffe, er hat nichts im Gesicht abgekriegt.«
    »Hat er nicht gesagt.«
    »O Mann, ich kann’s kaum erwarten, Carl zu sehen.«
    »Ich bin vorbeigekommen, um es Red zu sagen, aber der ist natürlich wieder mal sonst wo.«
    »Ich sag’s ihm«, erwiderte Glenda. »Er ist vielleicht eine Woche fort – wer weiß das schon.«
    »Ich jedenfalls nicht«, sagte Granny. »Hab ich nie gewusst.«
    Auf dem Herd kochte das Essen. Es roch richtig intensiv, es roch fertig. Glenda und ich wussten, dass Granny nicht gern vor anderen Leuten aß, egal vor wem, selbst vor Verwandtschaft, aber fragen musste Glenda trotzdem.
    »Möchtest du was essen, Granny?«
    »O nein, nein«, antwortete sie, stand auf und schüttelte den Kopf. »Nein, ich esse lieber das, was ich selber koche. Meine Diät, verstehst du? Ich muss jetzt heim und meine Diät zubereiten. Berichtet doch Red, was ich euch gesagt habe. Das Gras da draußen sieht richtig gut aus, Shug.«
    Als die Türen des Kinos aufgingen, wurden Glenda und ich von der Menge hinausgespült. Die Menge schleifte uns mit sich, so eingeengt waren wir zwischen all den anderen, wir wurden zusammengedrückt und fortgetragen wie der Verpflegungswagen in einem durchgegangenen Rindertreck. Die Massenflucht dauerte aber nur kurz und kam zum Ende, als die Leute auf dem Parkplatz in alle möglichen Richtungen verschwanden. Der Parkplatz war so neu wie das Kino und mit weißem Schotter bedeckt. Der Schotter war in der Nacht gut zu erkennen. Darunter war nur Erde. Autos fuhren schnell davon, und hinter den Reifen wirbelte Staub auf, der zu kochenden Wolken wurde und sich wieder setzte.
    »Shug, hast du das Mädchen hinter uns nicht gekannt?«
    »Sie war mal in meiner Klasse, mehr nicht.«
    »Ich glaube, Sweet Mister, dass sie versucht hat, deine Aufmerksamkeit zu wecken.«
    »Ich hab sie doch gesehen.«
    »Wenn die Mädchen dich anhimmeln, Schätzchen, solltest

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