Tod von Sweet Mister
hat man ihm so beigebracht.«
»Und was haben wir da, ein Haus, ein Boot oder was?«
»Ein Haus. Wir werden ein Haus haben. Da gibt es ganz irre, geheimnisvolle Häuser. Alte, fremdländische Gebäude mit Efeu und großen Blumen.«
»Kriege ich mein eigenes Zimmer?«
»Sicher. Sicher kriegst du das.«
»Und hör mal, Junge, bei dem Essen da unten fällst du vom Hocker. Du brauchst nur die Straßen entlangzugehen und zu schnuppern, das haut dich schon um. Die sind berühmt für ihr Essen, und das aus gutem Grund. Die Küche dort ist eine wunderbare Herausforderung.«
»Was für Essen zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Shrimps, so groß wie Hühnerbeine.«
»Ich hab noch nie Shrimps gegessen.«
»Na, dann fangen wir gleich ganz oben an. Das werden die besten Shrimps sein, die du je essen wirst.«
»Und dazu Gumbo, Shug. Krapfen. Pralinen.«
»Und Muffulettas.«
»Was zum Henker ist das denn?«
»Das ist so eine Art Sandwich. So groß wie ein Kuchen. Da kommt alles Mögliche an gutem Zeug drauf. Austern, Oliven, Salami, Shrimps, was auch immer. Da brauchst du anderthalb Stunden, um eins zu essen.«
»Ach, ich weiß nicht.«
»Na, ich schon, Shug. Ich weiß, dass es sein muss. Wir müssen hier weg. Wir müssen raus hier, und du weißt das auch.«
»Und wann?«
»Sobald die da unten mich zurückrufen.«
»Tino ruft an?«
»Nicht Tino selbst. Ein anderer Typ, den ich dort kenne. Tino ist weg.«
»Und ich kriege all das Essen und mein eigenes Zimmer?«
»So lautet der Plan.«
»Und wie steht’s mit einem Hund?«
»Ein Hund, ach, ich weiß nicht. Hunde sind launisch. Die Haare bleiben in den Klamotten hängen. Und du weißt, was ich davon halte.«
»King Creole«, sagte ich. »King Creole. Erzähl mir noch mal von diesem Sandwich. Wie heißt das doch gleich?«
ES WEHTE EIN HEFTIGER WIND , und der weiße Kissenbezug schlug an meinem Gürtel wie der Flügel eines verletzten Vogels, der mich durch sein Flattern das Fallrohr hinaufheben wollte. In meiner Gesäßtasche steckte ein Meißel. Mastrinder standen auf dem Schlachthof. Ich konnte die Pferche von dort oben sehen, wo ich mich an das Fallrohr klammerte. Das Fenster des Arztes war mit neuem Holz verstärkt worden. Das Holz war in einem dunklen Rot gestrichen, das zu den Ziegeln passte. Die Mastrinder kauerten ganz friedlich in den Pferchen und warteten auf den Morgen, wenn die Schlachtermesser sie finden würden. Sie blieben still, jammerten nicht. Ich stand auf dem Fensterbrett und zog den Meißel aus der Tasche. Eine Weile betrachtete ich von dort oben die Welt. Sie sah so aus wie immer, nur dass ich mehr davon auf einmal sah. All die Rinder kauerten da und warteten. Der Flügel flatterte an meinem Gürtel. Ich hob diesmal nur einen Fuß und trat die Scheibe ein, dann drückte ich die restlichen Scherben aus dem frischen Holzrahmen. Das Glas fiel klirrend zu Boden. Der alte Arzt musste Probleme haben. Er schwamm wohl nicht gerade im Geld, nahm ich an, denn er hatte versucht, die alten, schwachen Schränke zu reparieren, anstatt neue, kräftige zu kaufen. Die Schubladen gingen mit noch weniger Schlägen auf als beim letzten Mal. Ich füllte den Kissenbezug, bis er prallvoll war, dann band ich ihn mir wieder an den Gürtel. Ich ging zum Fallrohr und ließ mich hinunter. Der weiße Flügel hing nur noch herab. Kein Flattern mehr. Die Mastrinder rührten sich nicht, auch nicht, als ich an ihnen vorbeiging und rief: »Muh! Muh! Hier lang, ihr blöden Viecher, hier lang. Muh! Muh!« Ich muhte auch noch auf dem Stadtplatz, lief an geschlossenen Läden vorbei, über dunkle Gehsteige bis zu der Straße, wo Patty wohnte. Der weiße Mustang stand dort am Straßenrand. Ich öffnete die Beifahrertür, schüttete die Flaschen und Schachteln auf den Sitz und rannte los. Ich hatte es nicht weit, aber ich kam bis zu Hause fürchterlich ins Schwitzen.
GLENDA NANNTE MICH NICHT mehr Schätzchen. Sie umarmte mich auch nicht mehr andauernd, wenn sie gerade einen Augenblick schön fand. Sie nannte mich nur noch Shug. Zweimal versuchte sie es auch mit Morris, Morris, hier, Morris da, aber irgendetwas am Klang meines richtigen Vornamens brachte sie sofort wieder zurück zu Shug, einfach nur Shug.
Ab und zu machte sie Versprechungen wegen New Orleans: »Du wirst dort unglaubliche Menschen kennenlernen, Shug.«
Und: »Shug, es besteht die gute Chance, dass du auf dem Golf von Mexiko segeln lernst.«
Und: »Ach Shug, bei den Krapfen dort vergisst du schnell die Torten von
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