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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Jahren lebe ich mit dieser Sache, aber ich kann darüber nicht reden, sie ist größer als …« Er hob die Arme,
     als wollte er alle Anwesenden im Zimmer umfassen. »… größer als das hier.«
    Er machte einige Schritte, dachte nach, setzte sich, gestikulierte mit den Händen, rang nach Worten, atmete heftig aus, sackte
     auf seinem Stuhl zusammen. »Ich kann es nicht.«
    Schweigen, es gab nichts zu sagen. Bester Brits lehnte den Kopf zurück, als wäre das Gewicht der Vergangenheit eine zu große
     Last für ihn. Und dann, leise, kaum zu verstehen, sagte er: »So viele sind tot.« Dann flüsternd:
    »Manley.«
    Er atmete aus. Und langsam wieder ein.
    »Verster.«
    Aus. Ein.
    »De Beer.«
    Wieder sein Atem, als hörte er bei jedem Namen, den er flüsterte, einen Gewehrschuss.
    »Van Rensburg.«
    Van Heerdens Herz pochte, hämmerte gegen die Brust, er wagte es nicht mehr zu atmen, hatte Angst, dass er sonst die |454| Namen nicht mehr verstand, doch der Offizier war verstummt. Er wartete auf die letzten beiden Namen, aber sie kamen nicht.
    Dann, ebenfalls flüsternd: »Was ist mit Venter und Vergottini?«
    Brits schloss die Augen, als wäre er hundemüde. »Ich weiß es nicht, van Heerden, ich weiß es nicht.«
    »Wie sind sie gestorben?« Die Frage war kaum zu hören, doch der Augenblick war vorüber. Bester Brits richtete sich auf.
    »Es spielt keine Rolle. Es war …« Er brach unvermittelt ab.
    »Es spielt sehr wohl eine Rolle, Brits.«
    Brits war bereits im Begriff, sich zu erheben. »Es spielt für
Sie
keine Rolle, van Heerden, es hat mit Ihnen absolut nichts zu tun. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Sie sind tot.«
    »Wer hat Schlebusch erschossen, Brits?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Vergottini? Venter?«
    »Ich weiß es nicht, verdammt noch mal. Ich weiß es nicht, sind Sie taub?«
    Mat Joubert sagte leise: »Es muss hart sein, Brits, dreiundzwanzig Jahre lang diese Sache mit sich rumzuschleppen.« Er wollte,
     dass Brits sich wieder erinnerte, dachte van Heerden.
    »Das ist es.«
    »Und ständig darum zu beten, dass nichts mehr hochkommt.«
    Brits stützte den Kopf auf die Hände. »Ja.«
    »Befreien Sie sich von der Last, Brits. Werfen Sie sie ab.«
    Lange saß er so da, fuhr sich mit seinen großen Händen |455| über die Augen, die Nase und die Stirn, rieb sich die Schläfen, rieb sie, als wollte er sich selbst trösten. Dann stand er
     umständlich auf, er zitterte am ganzen Körper. »Können Sie sich vorstellen, wie gern ich das getan hätte? All die Jahre. Können
     Sie sich vorstellen, wie nahe ich manchmal davor stand? Wie nahe ich jetzt wieder davor stehe?« Brits ging zum Eingang, öffnete
     die Tür und sah hinaus. Dann blickte er zurück zu den Männern, die sitzen blieben, schüttelte den Kopf, als würde er zu sich
     selbst »nein« sagen, und ging hinaus. Sie lauschten seinen Schritten auf dem Pflaster, dann war nichts mehr zu hören.

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    Vorstellung. Und Wirklichkeit.
    Die Vorstellung von Nagels »Käfig«: ein schweres Schlachtschiff mit Lockenwicklern und ständig gerunzelter Stirn, ein keifender,
     zänkischer Mühlstein, eine träge Fernsehsüchtige, die Karikatur einer Frau in einem suburbanen Comicstrip.
    Die Wirklichkeit: diese Traumfrau, dieses wunderschöne, sanfte, lachende Wunder, das vor mir durch das ungemein gepflegte
     Haus voller Bücher schritt, hinaus zum kleinen, hinten gelegenen Garten, einem verzauberten, mit eigenen Händen geschaffenen
     Ort.
    Warum hatte er sie versteckt? Warum hatte er über Monate hinweg diesen falschen Eindruck von ihr vermittelt? Damit wir — ich
     — Verständnis hatten für seine chronischen außerehelichen Ausflüge, für seine Trinkgelage mit den Jungs?
    Er hatte von De Aar aus angerufen, wo er im Fall eines Serienvergewaltigers ermittelte, und mir mitgeteilt, dass er seine
     Dienstpistole zu Hause vergessen hatte. »Ich kenn doch meine verdammte Alte, die lässt das Ding losgehen, und dann verletzt
     sich noch irgendjemand, und ich hab ein Disziplinarverfahren am Hals und was weiß ich für einen Scheiß, kannst du also das
     verdammte Ding abholen und so lange bei dir behalten, bis ich wieder zurück bin?«
    |457| Ich rief sofort an, ihre Stimme bereitete mich nicht auf das vor, was folgen sollte, sie war höflich, die Musik aber, ihre
     Schönheit waren am Telefon nicht wahrzunehmen, es gab keinerlei Vorwarnung. An jenem Tag unterhielten wir uns und konnten
     überhaupt nicht mehr aufhören. Wir saßen neben dem kleinen

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