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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Und als
     ich es hörte, tat sich mir eine neue Welt auf, die Worte nahmen Bedeutung an, und zum ersten Mal wahrscheinlich wurde mir
     bewusst, was Kunst wirklich bedeutete.
    Sie erzählte mir, dass Sex immer so sei: Die postkoitale Depression war der Fluch der Männer. Sie erzählte mir von den Franzosen,
     die den Orgasmus den »kleinen Tod« nannten, Sex aber, den man mit der Liebe seines Lebens hatte, die einzige Ausnahme darstelle,
     das Heilmittel, die Fluchtleiter. Das alles hinterließ großen Eindruck bei mir. Ich trug ihre Worte mit mir als weiteren Reiseführer
     auf meiner Suche nach der einzigen großen Liebe, die die Liebesbeziehung meiner Eltern und Betta Wandrags Weisheiten vorhergesagt
     und versprochen hatten und die, wie ich später glaubte, das Leben mir einfach schuldete.
    Mir war nicht bewusst gewesen, dass der »dunkle Durst« zur Kristallkugel meines Lebens werden sollte. Ich wusste nicht, wie
     endgültig, wie bestürzend der Morgen meines Lebens mich wie ein Stück Treibgut über den Rand spülen sollte.
    Doch das lag noch in ferner Zukunft.
    Sehr viel früher, fast unmittelbar darauf, ereignete sich die |151| letzte große Begebenheit meiner Jugend, die das Schicksal so beiläufig als Umweg für mich geschaffen hatte.
    Denn kaum eine Woche später wurde Baby Marnewick auf grausame und spektakuläre Weise ermordet.

|152| 17
    Superintendent Leonard »Sprosse« Viljoen war eine lebende Legende. Und er war der lebende Gegenbeweis zu der medizinischen
     Tatsache, dass zu viele K.-o.-Schläge im Boxring bleibende Gehirnschäden hervorrufen könnten. In seinem Büro des Südafrikanischen
     Drogendezernats hingen vier Fotografien. Die erste zeigte ihn in Kämpferpose, sie war vor Jahren aufgenommen, als er noch
     ein junger Mann war und nur die Haut um die Augen leichte Gewebeschäden und die Nase anatomische Defekte aufwies, die allerdings
     zu vernachlässigen waren. Was den Blick des Betrachters allerdings auf sich zog, war Viljoens Muskelmasse, ein Körper, der
     bis zum höchsten Punkt der körperlichen Leistungsfähigkeit durchtrainiert war. Auf den anderen drei Fotografien lag der junge,
     muskulöse Viljoen flach auf dem Rücken. Jedes Mal stand ein anderer Boxer über ihm und reckte triumphierend die Arme in die
     Luft. Die drei freudig erregten Boxer waren die Schwergewichtler Kallie Knoetze, Gerrie Coetzee und Mike Schutte, unsere großen
     weißen Hoffnungen, in dieser Reihenfolge, von links nach rechts.
    Diese K.-o.-Galerie war als »Die drei Zehner« bekannt, Viljoens — für einen Boxer überaus clevere — Wortspiel, denn alle drei
     Kämpfe waren auf zehn Runden angesetzt, in jedem aber bekam er das »zehn!« des auszählenden Ringrichters bereits vor der zehnten
     Minute zu hören.
    |153| Unter den Fotos, hinter einem Schreibtisch, saß ein Mann, dessen Gesicht wie ein Schlachtfeld aussah, dessen Körper sich aber,
     im Alter von vierundfünfzig Jahren, in bester Verfassung befand. »Um als Schwergewichtler nach oben zu kommen, musst du die
     Leiter bis ganz nach oben steigen. Ich schätze mich glücklich, dass ich für viele erfolgreiche Boxer eine Sprosse auf dieser
     Leiter war.« So die selbstironischen Worte, die man im ganzen Land in den Polizeipubs hörte, sobald Viljoens Name erwähnt
     wurde. Daher rührte auch sein legendärer Spitzname.
    »Ich kenne Sie«, sagte Sprosse Viljoen, als van Heerden am Samstagmorgen an den Türrahmen klopfte.
    Er trat ein und streckte die Hand aus.
    »Nein, sagen Sie es mir nicht.« Er fuhr sich mit der Pranke über das vernarbte Gesicht, als wollte er Spinnweben wegwischen.
    Van Heerden wartete.
    »Ich muss nur das Gesicht einordnen …«
    Er wollte nicht, dass man ihm auf die Sprünge half.
    »Haben Sie geboxt?«
    »Nein, Superintendent.« Unwillkürlich ging seine Hand zum Auge.
    »Nennen Sie mich Sprosse. Ich geb’s auf. Wer sind Sie?«
    »Van Heerden.«
    »Sie waren früher beim Morddezernat?«
    »Ja, Superintendent.«
    »Einen Moment, einen Moment. Silva, der Scheißkerl, der Jouberts Frau erschossen hat. Waren wir da nicht gemeinsam in der
     Sonderkommission?«
    »Genau.«
    |154| »Dachte ich’s mir doch, dass Sie mir bekannt vorkommen. Was kann ich für Sie tun, Kollege?«
    »Ich arbeite mittlerweile für eine Anwaltskanzlei.« Ein wenig die Wahrheit manipuliert, um keine Kommentare über Privatdetektive
     zu provozieren. »Wir ermitteln in einem Fall, der einige Jahre zurückreicht. Anfang der Achtziger. Es könnten Drogen mit

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