Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
unverschämt.
Etwas geschah in meinem Kopf, ein neuer Höhepunkt der Geilheit, ein unbekannter Gipfel des Verlangens, sodass ich, versunken,
verloren und nur noch darauf konzentriert, mit geschlossenen Augen unverhohlen auf der hinteren Veranda masturbierte.
Später erzählte mir Betta Wandrag, dass dies eine der erotischsten Szenen gewesen sei, die sie jemals erlebt hatte. Sie fügte
an, sie müsse um Verzeihung bitten, sie hatte nicht das Recht gehabt, in meine Privatsphäre einzudringen, doch war es ihr
nicht möglich gewesen, sich zurückzuziehen, sich von den Geräuschen und der Szene vor ihr auf der Veranda zu lösen — mit einem
Holzlöffel in der Hand, eine Küchenschürze umgebunden, so kniete sie sich neben meinen Klappstuhl, schob sanft meine Hand
weg und nahm mich in den Mund.
Es wäre sehr arrogant, wenn man glauben wollte, durch Worte ließen sich die Überraschung, der Schock und die Beglückung beschreiben.
Es ist nicht nötig, das, was folgte, im Einzelnen wiederzugeben. Ich möchte mich an die hervorstechenden Merkmale dieser Wasserscheide
in meinem Leben halten.
In jener Nacht (und den ganzen Samstag und einen Großteil |148| des Sonntags) führte mich Betta Wandrag mit Geduld und Wohlwollen in die Welt des Hedonismus ein.
Erst der Sex.
Langsam verwandelte sie mein jugendliches Ungestüm und meinen unstillbaren Durst in Geduld und Beherrschung. Sie offenbarte
mir die Geheimnisse des Frauenkörpers, unterrichtete mich in den kleinen und großen Freuden der Frauen, korrigierte sacht
meine Fehler, belohnte reichlich meine Erfolge. Irgendwann mitten in der Nacht des Samstags, nach einer langen Lektion in
oraler Befriedigung, stand sie auf und holte Schreibmaterial, setzte sich ohne Scham mit gekreuzten Beinen auf das Bett, während
ich ihr zusah, und schrieb das Gedicht »Für Z.«, das später Teil des skandalösen Bandes wurde:
cunnilingua franca
deine zunge, deine zähne,
weiches zischen in der kehle,
reibelaut.
dein atem, deine lippen,
körpersprache, verräterisches wippen,
flattern.
stottern.
verschlusslaut.
Dazwischen Mozart. In der ersten Nacht legte sie das Zweite Violinkonzert auf und summte gelegentlich, zitternd, mit aufwärtsstrebenden
Hüften, die Melodie mit, ohne auch nur im Geringsten aus dem Takt zu geraten. Daneben das |149| Fagottkonzert und eines der Hornkonzerte (über das sie einen zweideutigen Kommentar abgab, worauf ihr tiefes, selbstzufriedenes
Lachen folgte), das Violinkonzert Nummer 5 und das Klavierkonzert Nummer 27.
In den Stunden der Erholung, zwischen den Orgasmen und der nächsten Erregung, erzählte sie mir von Wolfgang Amadeus, vom kleinen
Genie mit dem dreckigen Mundwerk und der wunderschönen Musik, den heimlichen Liebesaffären zwischen den Konzerten, der Vollendung
jeder Note. Während des Wochenendes schaffte sie es, dass ich seine Musik mein Leben lang mit Freudentaumel und Ekstase verbinden
würde, mit der höchsten Stufe der Existenz, dem menschlichen Potenzial, sich der Vollendung nähern zu können, auch wenn dies
für die meisten unter uns jenseits des Erreichbaren liegen würde.
Und sie kochte. Nur mit einer Schürze bekleidet. Natürlich hatten wir unsere
Briefträger -
Sitzung auf dem Küchentisch, doch trug sie die Erotik des Essens auch in andere Dimensionen. Dazwischen sprach sie von kulinarischen
Dingen, vom Essen, von der Sinnlichkeit, der Kunst. »Das ist die Wiege unserer Zivilisation. Unsere Kultur begann am Herdfeuer
unserer prähistorischen Vorfahren. Dort lernten wir uns in die Gemeinschaft einzufügen und zu kommunizieren. Und wenn nur
noch die Glut des niedergebrannten Feuers schwelte, legten sie sich im Wohlgefühl des gefüllten Magens in den schwachen, flackernden
Schatten zur Liebe hin«, erzählte sie mir, während wir im Kerzenlicht mit unwiderstehlichem Hunger ihre kulinarischen Kreationen
verspeisten.
Ah, sie war klug. Das erste Gedicht, das sie mir vorstellte, |150| war van Wyk Louws »Ballade von den nächtlichen Stunden«, in der die kurze Zeit trunkener Leidenschaft heraufbeschworen wird
und die erotischen und dennoch traurigen Einzelheiten dieser Leidenschaft. Die bis zum Tagesanbruch hält, wenn der Morgen,
»in der Stunde des dunklen Dursts«, die Menschen über den Rand seines Glases spült. Während ich auf ihr lag, leer und verschwitzt
nach einem weiteren Höhepunkt, flüsterte sie es mir ins Ohr, so leise, dass ich mich darauf konzentrieren musste.
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