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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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die
     seiner Vorstellung nach, ordentlich aufgereiht in den Regalen, im Safe gelegen und Jan Smits Versteck so fein gefüllt hatten.
    »Nehmen wir einfach einen Moment lang an, es waren Drogen. Wer hatte in jenen Jahren hier das Sagen?«
    »Zum Teufel, van Heerden …« Die Hand über das Gesicht, ein seltsamer, unbewusster Manierismus. »Sam Ling. Die Fu-Brüder. Silva.
     Es ist schon lange her.«
    »Wo finde ich Sam Ling?«
    Viljoen lachte, ein rasselndes, schleimerschütterndes Geräusch. »Die Lebenserwartung dieser Jungs ist nicht unbedingt so,
     dass sich Versicherungsvertreter um sie prügeln. Ling, sagt man, wurde im Hafen den Fischen zum Fraß vorgeworfen. Die Fu-Brüder
     wurden’87 in einem Bandenkrieg erschossen. Und was mit Silva geschah, das wissen Sie ja. Sie jagen Schatten hinterher. Es
     hat sich alles verändert, fast zwanzig Jahre ist das jetzt her.«
    |158| »Und wenn es um Steine geht? Mit wem sollte ich dann reden?«
    Viljoen verzog langsam die Mundwinkel zu einem Lächeln. »Sie könnten es mit den Polizisten des Gold- und Diamantendezernats
     versuchen. Aber an Ihrer Stelle würde ich dem Gaul einen Besuch abstatten — das heißt, wenn Sie am Eingangstor vorbeikommen.«
    »Dem Gaul?«
    »Sagen Sie mir nicht, Sie hätten noch nie was von Ronald van der Merwe gehört?«
    »Ich war … in den letzten Jahren etwas abseits vom Schuss.«
    »Anscheinend, denn es gab wohl keinen Polizisten südlich des Oranje, der sich nicht das Maul über Ronnie zerriss. Und wenn
     Sie mich zitieren wollen, werde ich sagen, Sie lügen wie gedruckt.«
    Van Heerden nickte.
    Viljoen strich sich mit der Handfläche über das Gesicht, langsam, von der Stirn zum Kiefer. Ob er dadurch vielleicht seine
     zerschundene Haut heilen wollte, überlegte van Heerden. »Ronnie. Ein bunter Hund. Groß. War jahrelang in der Diamantenabteilung.
     Und spricht jeden mit ›Gaul‹ an. Begrüßt jeden mit ›he, alter Gaul‹. Mag große amerikanische Sportwagen. Fuhr einen Trans
     Am, als er noch Sergeant war, und jeder wunderte sich, wie er sich den leisten konnte, man tuschelte, aber seine Verhaftungsquote
     war gut. Sehr gut. Später war er Captain. Und vor etwa zwei Jahren hat er gekündigt, und man erzählt sich, er hätte sich am
     Sunset Beach ein Haus gekauft, eine Burg mit drei Garagen und einer hohen Mauer mit elektronischen, ferngesteuerten Toren.
     Und jetzt kennt er keinen Polizisten mehr.«
    |159| Van Heerden sagte nichts.
    »Man sagt, er habe das große Los gezogen. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«

    Er fuhr auf der N1 aus der Stadt, dann auf der N7 nach Norden, die Sonne brach durch die Wolken, das Grün des nassen Kap schimmerte
     im hellen Licht.
    Sein Gehirn tanzte den unrhythmischen Tanz der Schlaflosen, seine Gedanken sprangen hin und her, unkonzentriert, flach. Es
     würde ein langer Tag werden, eine seichte Müdigkeit durchzog seinen Körper, warum hatte er die verdammte Nummer wieder angerufen?
     Er wusste, die Demütigung würde in ihm brennen wie zuvor. Warum hatten sie ihm den beschissenen Werbezettel unter den Scheibenwischer
     geklemmt? Auch eine große Lüge, eine weitere große Lüge wie alle anderen, die das weltweite Netz der Täuschungen vergrößerten
     und enger schnürten.
    Dieses erste Mal. O Gott, mit wie vielen Erwartungen, in |160| welch großer Einsamkeit hatte er die Nummer angerufen, weil
Natasha dir zuhört
und er doch mit jemandem reden musste, er wollte mit jemandem reden, jemand musste ihn umarmen, wenn auch nur mit Worten,
     jemand musste sagen, »du bist okay, Zet, du bist okay, van Heerden«, aber er war es nicht, er war schwach, er war Dreck, er
     war selbst eine so große Lüge wie Natasha und der Rest der beschissenen Menschheit.
    Er seufzte.
    Und Johannes Jacobus Smit. Was zum Teufel war seine Lüge, seine Täuschung?
    Er wusste, sein Gedankensprung von einem Fetzen einer Dollarbanderole zu einem begehbaren Safe war ziemlich groß. Zu groß.
     Aber warum baut man sich einen solchen Safe? Wenn man ein anständiger, gesetzestreuer Bürger ist. Dann baut man sich vielleicht
     einen kleinen Waffen- oder Juwelensafe. Gesetzestreue Bürger machen sich nicht die Mühe, ihren Personalausweis fälschen zu
     lassen. Smit oder wie immer er heißen mochte war jemand, der vieles zu verbergen hatte. Wer war er? Und was zum Teufel war
     in diesem Safe gewesen?
    Keine Steine.
    Steine sind zu klein.
    Steine sind heiße Ware. Bekommt man sie, schlägt man sie schnell wieder los. Man sammelt sie

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