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Todes Kuss

Todes Kuss

Titel: Todes Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: TASHA ALEXANDER
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Meinung vertraten, niemand könne sich auf dem Schlachtfeld mit Achill messen. So weit, so gut. Doch Philip leitete aus Achills Kampfgeist eine Überlegenheit des Griechen auch auf allen anderen Gebieten ab. Mit dem kriegerischen Geschick seines Helden rechtfertigte Philip dessen egoistische Verhaltensweisen. Auch betonte er immer wieder, dass Achill nie in seinen Moralvorstellungen wankend wurde. Das stimmte zwar, bewies aber meiner Ansicht nach nur, dass Achills Weltsicht als unreif und allzu vereinfachend gelten musste.
    Ich las mehrere Seiten, ohne dass Hektor auch nur ein einziges Mal erwähnt wurde. Dabei war doch gerade er der beeindruckendste Charakter in der ganzen Ilias . Er war so menschlich und mit all seinen Schwächen dennoch sympathisch und stark. Er wusste, dass er, auch wenn er sein Bestes gab, nie gut genug sein würde. Dennoch wurde er nie müde, seine Ziele mit aller Kraft zu verfolgen.
    Schließlich legte ich das Büchlein aus der Hand. Wie sehr wünschte ich in diesem Moment, mit Philip über all das reden zu können, was mich an seinen Überzeugungen ärgerte, verwirrte und beunruhigte. Schon vor einiger Zeit war mir klar geworden, dass ich mich in das Studium der Antike gestürzt hatte, um ihm näher zu sein. Nun musste ich erkennen, wie sehr seine Ansichten sich von meinen unterschieden. Inhaltlich wären wir uns hier niemals nahe gekommen. Das beeinträchtigte meinen Wunsch, mich weiterhin mit dem antiken Griechenland zu beschäftigen, allerdings nicht. Ich liebte die alten Dichtungen, bewunderte die antiken Kunstwerke, war bewegt von kleinen Details auf griechischen Vasen, genoss die Diskussionen mit Margaret oder Lord Palmer. Ich würde meine Studien fortsetzen. Nicht um Philips willen, sondern wegen der Faszination, die dieses Wissensgebiet auf mich ausübte.
    Zuerst glaubte ich, ich würde nun weniger an Philip denken müssen, meine so spät erwachte Liebe zu ihm würde nachlassen und ich würde ihn nicht länger vermissen. Das jedoch stellte sich als Irrtum heraus. Zwar war mein Mann von dem Sockel gestürzt, auf den ich ihn gestellt hatte. Zwar wandelten sich meine Gefühle ihm gegenüber ein wenig – aber er fehlte mir nach wie vor. Und manchmal stellte ich mir vor, wir würden eine hitzige Meinungsverschiedenheit über die Antike mit einem zärtlichen Kuss beenden.
    Bald nach meiner Rückkehr nach London hatte ich Briefe an zwei Gentlemen geschickt. Beide antworteten relativ rasch. Woraufhin ich die alten Warnungen hervorholte, um die Handschriften zu vergleichen. Es wunderte mich nicht, dass Colin die warnenden Worte nicht verfasst hatte. Aber ich war enttäuscht, dass das Gleiche für Andrew galt.
    Was blieb mir nun noch zu tun übrig?
    Zum Glück fiel mir der Handschuh ein, den – wie ich glaubte – der Mann mit der Narbe oder einer seiner Komplizen verloren haben musste. Also legte ich den Handschuh auf ein Tischchen in der Eingangshalle und erklärte Davis, einer meiner Besucher habe ihn liegen lassen und würde ihn bei nächster Gelegenheit mitnehmen.
    Natürlich hatte ich auch meinen Vorsatz, mich mit Mr Attewater in Verbindung zu setzen, nicht vergessen. Doch ich besaß seine Adresse nicht. Und es dauerte fast zwei Wochen, bis es Davis gelang, ihn in einem der weniger exklusiven Clubs ausfindig zu machen.
    In der Zwischenzeit verbrachte ich viele Stunden mit Andrew, der beinahe täglich bei mir vorsprach.
    „Sollen wir ausreiten?“, fragte er eines Tages.
    Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin müde. Und es gibt noch so viel zu erledigen, ehe Mr Murray morgen seinen seit langem geplanten Besuch macht.“
    „Nun, dann müssen Sie wenigstens dieses kleine Geschenk annehmen.“ Er hielt mir ein Päckchen hin.
    „Unmöglich! Sie wissen genau, dass ich von Ihnen nichts annehmen darf.“
    „Eigentlich handelt es sich um ein Dankeschön von meinem Vater. Er hat sich sehr gefreut, als die Abhandlung Ihres verstorbenen Gemahls endlich auftauchte.“
    „Oh, dann haben Sie sie also gefunden?“ Ich tat so, als sei ich erstaunt. Aber natürlich hatte Davis mir berichtet, dass Andrew, während ich in Ashton Hall weilte, mehrere Stunden in der Bibliothek zugebracht hatte.
    „Ja, ich habe das Manuskript gleich zu meinem Vater gebracht. Es ist mir allerdings rätselhaft, was er mit ihm vorhat. Auf jeden Fall“, erneut hielt er mir das Päckchen hin, „dürfen Sie dieses kleine Geschenk nicht ablehnen.“
    Natürlich gehörte es sich nicht, ein Schmuckstück oder etwas Ähnliches

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