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Todes Kuss

Todes Kuss

Titel: Todes Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: TASHA ALEXANDER
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Tagebuch, dem ich in den letzten Wochen so viel Zeit gewidmet hatte. Ich konnte der Versuchung, einen Blick hineinzuwerfen, nicht widerstehen und las: „Sie ist das schönste Wesen, das mir je begegnet ist. Niemand könnte hinreißender sein. Ich wünschte, sie würde mir gehören!“
    Zorn und Eifersucht regten sich in mir. Wer war diese Frau, die meinen Mann zu solcher Begeisterung hingerissen hatte? Ich musste es wissen! Also überflog ich die nächsten Zeilen – und stellte beschämt fest, dass der damals fünfzehnjährige Philip seiner Bewunderung für eine neu angeschaffte Stute Ausdruck gegeben hatte.
    Ich warf einen Blick auf Philips Foto, das ich von London mitgebracht und auf den Nachttisch gestellt hatte. „Verzeih mir“, sagte ich laut, so, als könne er mich hören. Dann stellte ich das alte Tagebuch zurück, zog mein Nachthemd an und schlüpfte unter die Bettdecke.
    18. August 1887, Santorin
    Hatte nicht damit gerechnet, so erleichtert darüber zu sein, dem gesellschaftlichen Leben in London zu entkommen. Vielleicht kann ich Kallista davon überzeugen, mich im nächsten Jahr nach Griechenland zu begleiten.
    Habe mir in Paris Fourniers antiken Diskuswerfer angeschaut, ein sehr beeindruckendes Stück. Doch die Vase mit dem Urteil des Paris, die ich ein paar Tage später entdeckte und kaufte, ist in meinen Augen noch schöner. Es wird mir schwerfallen, sie dem Museum zu überlassen. Aber dort gehört sie hin!
    Habe auch drei Bilder von Renoir erstanden, um sie hier in meiner Villa aufzuhängen. Würde mich freuen, wenn Monet mich bald einmal besuchen käme, um auf der Insel zu malen. Bin sicher, die Ägäis würde ihn inspirieren.

18. KAPITEL
    In dem kleinen Bücherregal in Philips Schlafzimmer hatte ich auch eine Art Journal entdeckt, in dem er gewissenhaft alle bereits von ihm katalogisierten Gegenstände seiner Sammlung beschrieben hatte. Er schien einfach alles, was er an Informationen über die Objekte besaß, hier notiert zu haben. Außerdem hatte er sich ausführlich zu all jenen Ausstellungsstücken im British Museum geäußert, die er besonders mochte. Schließlich musste er das Notizbuch auch genutzt haben, um seine Gedanken zu ordnen und seine Meinung zu verschiedenen Themen festzuhalten.
    Dieses Journal und Conan Doyles Eine Studie in Scharlachrot waren das Einzige, was ich von Ashton Hall mit nach London zurücknahm.
    Am ersten Abend, den ich wieder zu Hause verbrachte, machte ich es mir – ohne Korsett! – in der Bibliothek bequem. Ich goss mir etwas Port ein, trank genüsslich Schluck für Schluck, schlug dann Philips Notizbuch auf und begann zu lesen.
    Offenbar hatte Philip – genau wie ich – die rotfigurige Vasenmalerei der schwarzfigurigen vorgezogen. In allen Einzelheiten schilderte er ein Gespräch, das er mit Mr Murray über die unterschiedlichen Maltechniken geführt hatte. Es folgte eine Art Aufsatz über die Bedeutung von Lekythen, jener weißgrundigen Gefäße zur Aufbewahrung von Olivenöl, die nach Philips Meinung häufig als Grabbeigaben gedient hatten. Anscheinend bewunderte er die lebendigen bunten Malereien sehr. Eine der dargestellten Figuren repräsentierte seiner Meinung nach stets den Verstorbenen. Beweise dafür konnte er natürlich nicht liefern.
    Am nächsten Tag, das beschloss ich spontan, würde ich mir im Museum ein paar dieser Gefäße genauer anschauen.
    Es wunderte mich nicht, dass Philip sich besonders für Vasen begeistert hatte, die mit Jagdszenen geschmückt waren. Mir allerdings waren andere Motive weitaus lieber. Daher war meine Enttäuschung groß, als ich feststellte, dass er sich im Anschluss an den Aufsatz über die Lekythen seitenlang über seine Einstellung zur Großwildjagd ausgelassen hatte.
    Ich blätterte weiter, überflog hier und da einen Satz, bis ich schließlich auf einen Text stieß, der sich mit Homers Ilias befasste. Gespannt vertiefte ich mich in Philips Notizen. Es war ernüchternd, festzustellen, dass ihn all das, was mich an Homers Werk so gefangen nahm, gar nicht zu beeindrucken schien. Er verlor kein Wort über die menschliche Größe des Dichters, die sich überall zeigte. Er schrieb nichts über die Schönheit der Verse, den mitreißenden Rhythmus der Sprache oder die heroischen Ideale der handelnden Personen.
    Was mich am meisten störte, war Philips unkritische Bewunderung des Achill. Ich hatte ja schon erfahren, dass auch andere, wie zum Beispiel der berühmte Mr Pratt und in gewisser Weise auch Lord Palmer, die

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