Todesacker
Tagesordnung der Brüder gestanden hatte. Vielleicht galt Schmutz heutzutage ja als Lebenseinstellung.
»Das Problem ist, je mehr Arbeitern wir nachspüren, desto mehr potentielle Verdächtige bekommen wir.«
»Gibt es denn tatsächlich Hinweise auf ein Verbrechen?«
»Tja, zumindest die illegale Entsorgung einer Leiche. Irgendjemand muss das Grab ja geschaufelt und anschließend wieder zugeschüttet haben, oder etwa nicht? Aber was die Todesursache betrifft … dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Ebenso wenig kann ich sagen, ob es sich um Mord, Selbstmord, einen Unfall oder einen natürlichen Tod handelt. Tut mir leid.«
»Aber welche Fakten haben wir, Paul?«, fragte Kessen. »Haben wir, abgesehen von einem Leichnam mit unbekannter Todesursache, irgendwelche Beweise für ein Tötungsdelikt?«
Das war eine schwierige Frage, doch die Antwort war von entscheidender Wichtigkeit. Wenn der Ermittlungsleiter den Schauplatz falsch interpretierte und eine Morduntersuchung einleitete und sich dann herausstellte, dass es sich um einen Selbstmord oder einen natürlichen Tod handelte, lief er Gefahr, wegen Verschwendung von Ressourcen gerügt zu werden. Wenn er dagegen den Tod natürlichen Ursachen zuschrieb und anschließend bei der Obduktion widerlegt wurde, konnte seine Entscheidung ernste Konsequenzen für den Erfolg jeder späteren Untersuchung haben. Da der Ermittlungsleiter seine Einschätzung unter Druck abgeben musste, bedurfte es eines guten Urteilsvermögens, um anhand von begrenzten Informationen die richtige Entscheidung zu treffen.
»Wir stellen die Beurteilung vorerst zurück«, sagte Hitchens. »Noch wird keine Morduntersuchung eingeleitet.«
Kessen grunzte unverbindlich. »Und wer untersucht den Farmhintergrund?«
»Detective Constable Cooper. Er ist derjenige, der hier seine Wurzeln hat. Einverstanden, Ben?«
Cooper nickte automatisch, da er keine Chance bekommen hatte, darüber nachzudenken.
»Ich hoffe, dass die Kriminaltechniker in der Zwischenzeit ein paar frische Beweise finden. Zumindest frischer als die Leiche.«
»Frischer als die Leiche? Das dürfte nicht so schwierig sein«, sagte Murfin leise zu Cooper.
»Wir befragen heute die Bewohner der Ortschaft, und das bedeutet, alle Mann an die Arbeit«, sagte Hitchens. »Rakedale ist ein kleiner Ort, also werden wir jeden Haushalt abklappern. Und vergessen Sie nicht die abgelegenen Farmen. Sie wissen ja alle, wie solche Orte sind – das Wissen der Einheimischen könnte der Schlüssel sein. Irgendeine alte Schachtel wird uns schon die entscheidende Information zukommen lassen. Also, machen wir uns an die Arbeit.«
»Bevor Sie gehen«, sagte Kessen und erhob die Stimme über den Trubel, der sich entwickelte, »muss der Detective Chief Inspector noch eine Ankündigung machen. Er möchte das Ermittlungsteam in seinem Büro sehen, sobald wir hier fertig sind.«
»Oh, oh«, sagte Murfin. »Das klingt nach schlechten Neuigkeiten.«
Auf ihrem offiziellen Foto wirkte sie steif und humorlos. Sie vermittelte den Eindruck, als sei sie eine Frau, die normalerweise kein Make-up trug, sich jedoch verpflichtet gefühlt hatte, sich Mühe zu geben, als sie für den Fotografen posiert hatte. Cooper dachte, dass ihr jemand ein paar Schminktipps hätte geben sollen. Doch womöglich hatte sich niemand getraut, etwas zu ihr zu sagen. Stattdessen hatte sie mit ungeübter Hand Lippenstift und Wimperntusche aufgetragen, und das Ergebnis sah unnatürlich aus. Sie machte ihn schon jetzt nervös.
»Und das ist …?«, erkundigte sich Fry.
Hitchens verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. »Unser neuer Boss.«
»Was?«
Der Divisionsleiter, Chief Superintendent Jepson, hatte das Ermittlungsteam zu einer Besprechung in sein Büro zitiert. Er brachte Hitchens mit einer Geste zum Schweigen.
»Ripley hat endlich jemanden in das Senior Management Team berufen«, erklärte Jepson. »Die E-Division hat eine neue Detective Superintendent.«
Es herrschte einen Moment lang Stille, als alle das Foto betrachteten. Der letzte Neuzugang in der Führungsriege, eine weitere Quelle für motivierende E-Mails.
»Detective Superintendent Hazel Branagh«, sagte Hitchens, um die Anspannung zu lösen. Der Tonfall seiner Stimme war schwer einzuordnen, als habe er sich besonders bemüht, neutral zu klingen.
»Sie ist eine äußerst effiziente Führungskraft«, sagte Jepson, »und genießt großen Respekt bei ihrem derzeitigen Team. Alle Leute, die für sie arbeiten, sind sich
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