Todesacker
einig: Bei Superintendent Branagh wissen sie genau, wo sie stehen.«
»Nicht in Reichweite, nehme ich an«, flüsterte Murfin Cooper zu.
Jepson quittierte die Unterbrechung mit einem Stirnrunzeln, obwohl er nicht verstanden hatte, was gesagt worden war. »Wissen Sie, manche Führungskräfte sind nicht in der Lage, Abstand zu ihren Mitarbeitern zu halten. Sie verhalten sich ihren Untergebenen gegenüber zu kameradschaftlich. Ich weiß, wie verlockend es ist, das zu tun – man möchte, dass eine freundschaftliche Atmosphäre herrscht. Bonding nennt man das heutzutage. Aber das funktioniert nicht, wissen Sie, denn letzten Endes verliert man damit nur den Respekt seiner Untergebenen.«
Er sah Hitchens an und fixierte ihn so lange, bis der Detective Inspector sich verpflichtet fühlte, darauf zu antworten.
»Ja, Sir. Vollkommen richtig.«
»Wie sehr man sich auch nach Beliebtheit sehnt, man muss Abstand zur Menge wahren, um ein echter Führer zu sein. Hazel Branagh genießt enormen Respekt bei den Polizisten in ihrem Team.«
Cooper warf abermals einen Blick auf das Foto. Branaghs schlecht aufgetragenes Make-up verlieh ihr das Aussehen einer kürzlich verstorbenen Tante, die vom Bestatter hergerichtet worden war. In diesem Fall waren die Angehörigen so beeindruckt gewesen, dass sie Tante Flo für ein letztes Foto in einen Sessel gesetzt hatten, ehe sie sie begruben.
»Es heißt, dass sie ohnehin nicht lange bei uns bleiben wird, Sir«, sagte Hitchens.
»Sie glauben also den Gemeinschaftsküchengerüchten?«, fragte Jepson.
»So könnte man es nennen.« Der Detective Inspector machte sich nicht die Mühe, darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaftsküchen abgeschafft worden waren, um die Bildung einer Gemeinschaftsküchenkultur zu unterbinden. »Ich habe gehört, dass die Möglichkeit diskutiert wurde, das ist alles.«
»Tja, Sie haben recht, Paul. Superintendent Branagh hat sich landesweit einen Ruf erworben. Sobald irgendwo der nächste Job für einen Assistant Chief Constable zu vergeben ist, wird hier sicher irgendjemand herumschnüffeln. Darauf können Sie wetten.«
Diane Fry legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Nach und nach löste sich die Verspannung in ihren Schultern. Sie hatte stundenlang auf ihren Computerbildschirm gestarrt, sich durch Zahlen und Berichte gekämpft, Online-Formulare begutachtet und endlose E-Mails des Senior Management Teams gelesen. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Erschöpfung aus ihrem Gehirn verschwand.
Auf dieser Seite des Gebäudes musste man im Dezember den ganzen Tag lang das Licht brennen lassen, sehr zum Missfallen des Leiters der Verwaltungsabteilung, der hatte feststellen müssen, dass es unmöglich war, dem Mangel an Tageslicht Herr zu werden, indem man ein Memo schrieb.
Für Diane war die Lichtqualität durch glitzernde Lamettafäden und rot-grüne, wie Ziehharmonikas gefaltete Dekorationen mit der Aufschrift »Frohe Weihnachten« über den Schreibtischen zusätzlich beeinträchtigt, als ob sonst niemand wüsste, welche Jahreszeit gerade war. Sie war überrascht, dass die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften Weihnachtsdekoration überhaupt gestatteten. In diesem Fall hätte sie ein Memo ausnahmsweise einmal begrüßt. Sie war sogar versucht, selbst eines zu schreiben, wusste jedoch, dass sie sich damit für den Rest ihres Berufslebens in Anlehnung an die Hauptfigur aus Charles Dickens’ Weihnachtsmärchen den Spitznamen »Scrooge« eingehandelt hätte.
Auf den Aktenschränken war eine unsystematische Ansammlung von Weihnachtskarten aufgestellt. Die meisten Karten stammten von anderen Dienststellen, eine von ihrem örtlichen Abgeordneten. Cooper hatte ein paar persönliche Botschaften aus der Bevölkerung bekommen – »Danke für alles, was Sie für uns getan haben«, solche Sachen. Geschmacklose Karten mit Teddybären und glitzernden Krippen, unterzeichnet mit kleinen Herzen. Er hatte sie zur allgemeinen Sammlung gestellt, doch das machte alles nur noch schlimmer.
Fry musste plötzlich niesen.
»Gesundheit«, sagte Cooper. Sie fragte sich, weshalb er dabei – wie auch alle anderen – nicht auf den überraschten Tonfall verzichten konnte.
»Verdammt«, schimpfte Fry. »Hoffentlich bekomme ich keine Erkältung.«
»Bist du zu dieser Jahreszeit oft erkältet?«
»Früher war ich es nie, als ich noch in der Zivilisation gelebt habe.«
»Ach, tatsächlich? Dann wird in Birmingham dem Leitungswasser also Erkältungssaft
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