Todesakt: Thriller (German Edition)
Augen erkannt – eine Mischung aus Erschöpfung und Schmerz. Offenbar hatte die Staatsanwältin erkannt, dass sie in dieser Behörde keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen würde und ein für alle Mal das Gesicht verloren hatte.
Lena drehte sich um und folgte Vaughan zu einem Tisch an den Fenstern.
»Darf ich mal raten?«, begann er. »Sie haben Hights Haus durchsucht und keine Pistole gefunden.«
»Er hat sie beseitigt. Wir haben zwar die Quittung, aber keine Waffe.«
Vaughan nahm einen kleinen Testschluck von seinem Kaffee. »Und er hat nicht die Absicht, mit uns zusammenzuarbeiten. Er wird es uns nicht leichtmachen.«
»Es klingt ganz danach, als ob er mehr als einen Anwalt hätte«, erwiderte Lena.
»Er glaubt, dass er gewinnen kann, Lena. Und wissen Sie was? Vermutlich hat er recht.«
Lena setzte zu einer Antwort an, verstummte aber, als sie Steven Bennett hereinkommen sah. Er nickte ihnen zu und wandte sich ab, um sich einen Teller zu nehmen. Obwohl er einen harmlosen Eindruck machte, wirkte sein Verhalten genauso gekünstelt wie Watsons verspätetes Lächeln von vorhin. Einfach nur Theater. Ansonsten hätte er nämlich gleich beim Eintreten Ausschau nach dem Büfett gehalten, anstatt seine smaragdgrünen Augen suchend über die Gesichter im Raum wandern zu lassen. Also lag der Schluss nahe, dass Watson ihm von ihrer Anwesenheit berichtet hatte – und dass er sich aus irgendeinem Grund selbst vergewissern wollte.
Nachdem Vaughan noch einen Schluck Kaffee getrunken hatte, ergriff er mit leiser Stimme das Wort.
»Warum konnten Sie nicht am Telefon über die Sache sprechen? Was haben Sie sonst noch gefunden?«
»Bargeld, das von Bosco stammen könnte«, antwortete Lena. »Außerdem fünfzehn bis zwanzig Gramm Kokain, womöglich von dem Koks im Club.«
»Wie lange wird die Kriminaltechnik für die Untersuchungen brauchen?«
»Wir stehen ganz oben auf der Liste.«
Lena beobachtete noch immer Bennett. Der Staatsanwalt verbrachte zu viel Zeit damit, mit dem Rücken zu ihnen und in Hörweite, die Platten mit dem Essen zu begutachten. Lena bezweifelte keine Minute, dass er sie belauschte.
Vaughan berührte sie am Handgelenk.
»Stimmt etwas nicht?«
»Wir sollten in Ihr Büro gehen«, entgegnete sie. »Hier können wir nicht reden.«
Dabei behielt sie Bennett im Auge. Vaughan folgte ihrem Blick.
»Ich verstehe«, sagte er.
Als sie gingen, drehte Bennett sich nicht um. In seinem Büro am anderen Ende des Gebäudes und eine Etage tiefer schloss Vaughan die Tür hinter sich und entschuldigte sich für die Unordnung. Aktenstapel, einige bis zu einem Meter hoch, bedeckten fast jede freie Fläche. Sie türmten sich auf dem Sideboard, dem Sofa und dem Sessel und bildeten einen Halbkreis rechts von seinem Schreibtischstuhl. Während er einen Sitzplatz für Lena freiräumte, schaute sie aus dem Fenster und betrachtete das leer stehende Gebäude auf der anderen Seite des Hollywood Freeway.
»Wenigstens hat der Oberstaatsanwalt Ihnen ein Büro mit Fenster gegönnt«, meinte sie.
»Ja, Higgins war so gnädig.«
Lena bemerkte auf dem Fensterbrett ein Foto, das Vaughan beim Spielen mit einem kleinen Jungen und einem Mädchen zeigte. Die beiden Kinder waren drei oder vier Jahre alt.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie Kinder haben«, sagte sie. »Oder dass Sie überhaupt verheiratet sind. Sie tragen keinen Ring.«
»Geschieden«, erwiderte er. »Unvereinbare Gegensätze, im Klartext: Ich arbeite zu viel. Wir sind noch gut befreundet. Inzwischen ist sie mit jemandem zusammen, der einen normalen Achtstundentag hat und ein netter Kerl zu sein scheint. Die Kinder lieben ihn. Ich hatte ihr angeboten, mich zu ändern. Doch eines Tages hat mir ihr Anwalt einen Besuch abgestattet und dabei das Büro hier gesehen.«
Grinsend ließ er sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder und beobachtete, wie sie sich setzte. Dann musterte er forschend ihr Gesicht.
»Sie sind doch sicher nicht hergekommen, um mir mitzuteilen, dass Sie Hights Pistole nicht finden können. Ich kenne Sie zwar nicht sehr gut, Lena, aber Sie machen mir nicht den Eindruck, als dass Sie mit so etwas Ihre Zeit vergeuden würden.«
Sie beugte sich vor und überlegte, wie sie sich am besten ausdrücken sollte.
»Was, wenn Bennett und Watson Mist gebaut haben?«
Vaughan zuckte die Achseln.
»Die beiden haben einen eindeutigen Fall vermasselt. Dass sie Mist gebaut haben, ist wohl offensichtlich.«
»Aber was, wenn der Fall gar nicht so eindeutig war, wie es
Weitere Kostenlose Bücher