Todesakt: Thriller (German Edition)
Wirkung auch sein mochte, wunderte es sie, wie Paladino den Wert dieser Aufnahmen für seine Verteidigungsstrategie hatte übersehen können. Die Fotos zeigten, dass die junge Frau alles andere als ein Unschuldslamm gewesen war, und hätten Gants Aussage untermauert, er habe sie nicht bedrängt, sondern eine Beziehung mit ihr geführt.
Außerdem lösten die Fotos noch etwas in Lena aus, das sie nicht in Worte fassen konnte.
Auch wenn Tim Hight Jacob Gant getötet hatte, schien das Mordmotiv um einiges wichtiger zu sein als das Verbrechen selbst. Handelte es sich nur um einen Racheakt? Oder etwa um einen Versuch, eine schreckliche Wahrheit, die Gant entdeckt hatte, unter den Teppich zu kehren? Hatte Hight etwas vertuschen wollen, das um ein Haar ans Licht gekommen wäre?
Ein letztes Mal betrachtete Lena das Mädchen auf dem Bett. Das Leuchten in ihren Augen. Die erotische Ausstrahlung der langen Beine und der kurvenreichen Figur. Das verführerische Lächeln, das inzwischen gespenstisch wirkte.
Und wieder musste sie an ihre Liste denken, auf der sie in der einen Spalte ihre Gründe aufgeführt hatte, zur Polizei zu gehen. Barrera irrte. Es war kein Rückschritt, die Vergangenheit zu durchleuchten, sondern ein Schritt nach vorne. Und zwar der einzige, der sich lohnte.
Lena klappte den Ordner zu und schob ihn weg. Inzwischen war es zwar weit nach Mitternacht, aber mit knapp dreißig Grad noch immer heiß im Haus. Sie hörte die Klimaanlage vor dem Fenster ächzen.
Sie umrundete die Küchentheke, öffnete den Gefrierschrank und ließ sich den kalten Hauch ins Gesicht wehen. Doch die feuchte Dunstwolke hielt sich nur einen Augenblick lang. Nachdem die Kühle verflogen war, holte Lena die Flasche SKY-Wodka heraus und schenkte sich ein Glas ein.
Als sie den ersten Schluck trank, spürte sie, wie die eiskalte Flüssigkeit in ihren Magen rann und ihn erwärmte. Sie zog die Schuhe aus, machte die Terrassentür auf und ging hinaus zum Pool. Am Horizont ging gerade der Mond auf. Sie konnte ihn direkt hinter den Hochhäusern in der Innenstadt erkennen. Warme gelbe Lichtstrahlen beleuchteten die Straßen bis hinunter zum Meer. Lena krempelte ihre Jeans hoch, setzte sich und ließ die Füße im kühlen Wasser baumeln. Während sie noch einen Schluck von dem Wodka nahm, hoffte sie, dass der Anblick der in Mondlicht getauchten Stadt die Erinnerungen an die Fotos auslöschte. Nach einem weiteren Schluck war sie beinahe sicher, dass ihr Verstand nun zur Ruhe kommen und ihr einige Stunden traumlosen Schlaf gönnen würde.
Im nächsten Moment hörte sie, wie ein Auto in ihre Auffahrt einbog. Zerquetschter Kies knirschte unter rollenden Reifen. Zunächst war sie nicht sehr beunruhigt. Erst als sie um die Hausecke spähte.
Das Auto – ein weißer Lincoln – fuhr mit abgeschalteten Scheinwerfern.
Lena ging die Stufen zur Veranda hinauf und beobachtete, wie der Wagen lautlos in der Dunkelheit stehen blieb. Ein Mann stieg aus. Nachdem er das Haus eine Weile betrachtet hatte, ging er auf ihr Auto zu. Er mied die Lichtkegel der Außenbeleuchtung. Doch als er sich zum Fenster auf der Fahrerseite hinunterbeugte, um hineinzuschauen, traf das Licht, das sich in der Scheibe spiegelte, sein Gesicht, sodass sie ihn deutlich erkennen konnte.
Es war Cobb.
Lena nahm sich zusammen, schlich ins Wohnzimmer und verriegelte die Terrassentür. Nachdem sie die Küchenbeleuchtung und die Lampe neben dem Sofa ausgeknipst hatte, lief sie durch die Dunkelheit zum Schlafzimmerfenster. Cobb pirschte sich gerade zur Rückseite des Hauses. Und was noch schlimmer war: Er hatte eine Taschenlampe in der Hand und machte inzwischen keine Anstalten mehr, sich zu verstecken.
Lena wurde von Furcht und Zorn ergriffen. Außerdem war sie verwirrt. Was bildete dieser Mensch sich eigentlich ein?
Sie hastete durchs Wohnzimmer in die Küche und sah hinaus. Inzwischen stand Cobb mit seiner Taschenlampe am Pool und hatte ihr Glas gefunden. Als er ihre nassen Fußabdrücke entdeckte, strahlte er den Betonweg und die Stufen zur Veranda an.
Nun wusste er also, dass sie zu Hause war. Und dass sie seine Ankunft bemerkt hatte.
Lena holte tief Luft, ohne den Blick von seinem maskenhaften Gesicht abzuwenden. Er verharrte reglos und schien zu überlegen, als tobe ein innerer Konflikt. Cobb erinnerte an ein tollwütiges Tier, das zum Angriff übergeht, anstatt sich in den Wald zu flüchten.
Cobb kam die Stufen herauf. Als er mit der Taschenlampe ins Wohnzimmer leuchtete, sah
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