Todesakt: Thriller (German Edition)
Lena ihre .45er auf der Theke liegen und nahm sie aus dem Halfter. Den Rücken an die Wand gepresst, schlich sie sich zur Zimmerecke. Cobb schaute zur Terrassentür herein. Er wirkte ungewöhnlich blass – wie ein Gespenst mit Kinnbart und schwarzen Löchern anstelle von Augen. Lena hörte, wie er sich am Schloss zu schaffen machte, offenbar, um die Tür aufzubrechen.
Lena hatte genug gesehen. Sie entsicherte ihre .45er. Falls Cobb ins Haus eindringen sollte, würde sie abdrücken, ohne zu zögern.
Minuten vergingen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Doch dann gab er auf.
Kurz fiel Licht in die Küche, dann wurde es wieder dunkel, als er endlich von der Veranda trat. Lena kehrte zum Fenster zurück und beobachtete, wie Cobb mit seiner Taschenlampe das Haus umkreiste. Von Zimmer zu Zimmer huschend, folgte sie ihm, während er sich langsam weiterbewegte und ab und zu stehen blieb, um die Fenster im Obergeschoss zu mustern. Wieder an der Vordertür angelangt, bedachte er sie mit einem langen Blick und stieg schließlich ins Auto.
Lena riss die Terrassentür auf und rannte die Stufen hinunter. Sie hörte das erneute Knirschen von Kies und Reifen. Als sie um die Ecke kam, sah sie den weißen Lincoln rückwärts auf die Straße rollen. Dann schaltete er endlich die Scheinwerfer an, sodass Lena dem Wagen nachblicken konnte, während er die gewundene Straße hinunterfuhr und schließlich am Fuße des Hügels verschwand.
Plötzlich begann sie zu zitternd und bemerkte, dass ihr Gesicht schweißnass war. Sie dachte an Barreras Worte vor nur wenigen Stunden, an seine Ausdrucksweise, während sie noch nach Atem rang.
Morgen musste es besser laufen als heute, auch wenn sie als Erstes Tim Hight zu Hause einen Besuch abstatten musste.
23
Lena wachte davon auf, dass die Sonne ihr in die Augen schien. Sie lag auf dem Sofa und war noch immer voll bekleidet. Als sie die .45er neben sich auf dem Couchtisch sah, fielen ihr schlagartig die Ereignisse der letzten Nacht ein, und sie fuhr hoch.
Cobb.
Inzwischen war der Typ nicht nur lästig, sondern entwickelte sich zu einem echten, offenbar noch steigerungsfähigen Problem. Und Lena war nicht sicher, wie sie mit ihm umgehen sollte. Ein Anruf bei Barrera würde den Mann wohl kaum aufhalten. So wie sie ihn einschätzte, geriet er nach einer Rüge seines Dienstherrn oder seines direkten Vorgesetzten nur in Wut und würde umso heftiger um sich schlagen.
Und Cobb zu reizen erschien ihr derzeit nicht sehr ratsam.
Deshalb kam Lena zu dem Schluss, dass sie im Moment am besten gar nichts unternahm. Sie ging in die Küche. Bevor sie zu Hight fuhr, musste sie sich mit Martin Orth von der Kriminaltechnik in Verbindung setzen, allerdings war es noch zu früh für einen Anruf.
Lena bereitete ihren Kaffee stets tassenweise zu, und zwar mit Filtertüten und aus den besten Bohnen, die sie sich leisten konnte. Also stellte sie den Kessel auf den Herd, schaltete ihn auf die niedrigste Stufe, duschte, zog sich um und machte sich anschließend Toast und weichgekochte Eier, die sie stehend am Spülbecken verspeiste.
Die Mahlzeit hatte zwar eine belebende Wirkung, aber es war noch immer zu früh für einen Anruf bei Orth. Lena nahm den Wochenplaner, den sie und Harry in Gants Zimmer gefunden hatten, aus dem Asservatenbeutel. Dann setzte sie sich an den Tisch am Fenster, trank ihren Kaffee und blätterte das Büchlein durch. Offenbar hatte Gant den Kalender hauptsächlich als Tagebuch benutzt, allerdings nicht lang. Er hatte nach dem Prozess damit angefangen, doch zwei Wochen vor seinem Tod wieder aufgehört.
Er hatte, wenn auch mit wenig Erfolg, versucht, die letzten zehn Tage von Lilys Leben zu rekonstruieren. Lena erkannte auf Anhieb, woran er gescheitert war: Anscheinend hatte er Schwierigkeiten gehabt, jemanden zu finden, der bereit gewesen war, einem freigesprochenen mutmaßlichen Mörder zu helfen oder überhaupt mit ihm zu reden. Einem Eintrag zufolge hatte Lilys beste Freundin sich mit ihm treffen wollen, war jedoch von ihrem Vater daran gehindert worden. Nach einigen Anläufen, sich erneut mit ihr zu verabreden, hatte Gant einen Anruf von jemandem erhalten, der sich als Polizist ausgegeben hatte, und daraufhin das Handtuch geworfen.
Lena kannte den Namen des Mädchens weder aus Cobbs Fallakte noch vom Prozess. Julia Hackford. Seltsam, dass sie nie erwähnt worden war. Lena notierte sich den Namen und wandte sich wieder Gants Tagebuch zu.
Einige Seiten wiesen Blutflecke auf, und Lena
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