Todesakt: Thriller (German Edition)
liegt.«
»Ja.«
»Nun, Watson lag auf dem Rücken.«
Sie lachten beide kurz auf.
»Ich habe das als Vorteil betrachtet«, fuhr Paladino fort. »Dass die beiden abgelenkt waren, konnte doch nur gut für uns sein. Es wundert mich allerdings, dass Bennett schon so lange mit ihr zusammen ist, obwohl er Frau und Kinder hat. Ich habe ihn eigentlich eher als oberflächlichen Menschen eingestuft, der eine Cheerleaderin an seiner Seite braucht, die ihm ständig versichert, dass er kein Arschloch ist.«
Paladinos Abneigung gegen diesen Mann waren offensichtlich. Lena versuchte, die Dinge von seiner Warte aus zu sehen. Bennett und Watson hatten sich ihres Sieges in dem angeblich so todsicheren Prozess schon sicher gewähnt und waren deshalb achtlos geworden. Vermutlich hatten sie arglos die Aufmerksamkeit der Medien, das Rampenlicht und den Beifall der Öffentlichkeit ausgekostet und im Bonaventura nach Herzenslust gevögelt, überzeugt, dass dieser sensationelle Fall ihre Karriere auf die Überholspur katapultieren würde.
Doch schließlich hatte Paladino recht behalten. Steven Bennett war eben einfach zu oberflächlich.
Die Verteidigung hatte eine unabhängige Untersuchung der an Lilys Leiche sichergestellten Spermaproben gefordert – und die beiden Staatsanwälte konnten die Beweisstücke nicht liefern, wodurch alles ans Licht kam. Paladino hatte die Schwachstelle entdeckt und, was noch wichtiger war, gewusst, wie er die Sache angehen musste. Nicht mehr Jacob Gant stand vor Gericht, sondern Bennett, Watson und die Polizei von Los Angeles.
Lena malte sich aus, wie sich Paladino im Gerichtssaal hinter seinem Mandanten in Positur geworfen hatte. Sie sah seine Hand auf Gants Schulter und hörte, wie er mit sanfter Stimme alles offenlegte:
Wenn Sie jemandem eine Tat anlasten und erreichen wollen, dass eine Zeitung das druckt, brauchen Sie mindestens zwei Quellen, die Ihre Vermutung bestätigen. Nur dann kommt eine Geschichte in die Presse. Wenn zwei Quellen es belegen. Nur dass wir hier nicht von einem Zeitungsartikel reden. Wir haben uns heute in diesem Gerichtssaal versammelt, weil es um Leben oder Tod geht. Und deshalb brauchen wir auch jetzt zwei Quellen, die sagen, dass es wirklich so geschehen ist. Wir brauchen eine Bestätigung, und zwar jetzt. Um einen jungen Mann für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu bringen oder ihm gar eine Nadel in den Arm zu bohren und ihm das Leben zu nehmen. Wenn man ihn hinrichtet, muss man genau wissen, was er getan hat. Man darf es nicht nur glauben, hoffen, annehmen oder die Wahrscheinlichkeiten gegeneinander abwägen und dann aus dem Bauch heraus entscheiden. Man muss Gewissheit haben. Absolute Gewissheit, so sicher wie die Tatsache, dass die Erde rund ist und dass die Sonne im Osten aufgeht. Sie brauchen Beweise. Ohne Beweise können Sie niemanden schuldig sprechen, und das heißt, dass Sie ihn auch nicht verurteilen können .
»Alles in Ordnung, Lena?«
Sie kehrte wieder in die Wirklichkeit zurück. Paladino saß inzwischen auf dem anderen Sofa und musterte sie besorgt.
»Alles bestens«, erwiderte sie. »Ich habe nur nachgedacht.«
»Gar nichts ist bestens«, widersprach er. »Meiner Ansicht nach haben Sie ein riesengroßes Problem an der Backe, bei dem ich Ihnen nicht helfen kann. Lily Hight wurde von einem Ungeheuer vergewaltigt und ermordet. Der Täter läuft noch frei herum. Und alle in der Staatsanwaltschaft wissen das.«
Lena traute ihren Ohren nicht.
»Was sagen Sie da?«
»Higgins, Bennett, Watson, sie stecken alle unter einer Decke, Lena. Denen war schon immer klar, dass Jacob Gant unschuldig war. Und zwar bereits vor der Gerichtsverhandlung.«
Einen Moment herrschte bedeutungsschweres Schweigen. Lena musterte Paladino prüfend. Inzwischen lächelte er nicht mehr, und sie merkte ihm an, dass er weder mit ihr spielte noch sie auf die Probe stellen wollte. Nein, nun wusste sie, warum er überhaupt gewillt gewesen war, mit ihr zu sprechen. Als ihr die Tragweite seiner Worte allmählich klar wurde, wollte sie etwas darauf antworten. Doch ihre Stimme klang heiser und gepresst.
»Das ist doch völlig absurd, Buddy.«
»Ich an Ihrer Stelle hätte den Ausdruck geisteskrank benutzt.«
Er ging zum Schreibtisch und kehrte mit einem Ordner zurück, den er Lena reichte.
»Wir haben den Lügendetektortest nicht nur beantragt, Lena, sondern regelrecht darum gebettelt. Als die sich weiterhin strikt geweigert haben, habe ich in Eigenregie jemanden beauftragt. Einen
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