Todesakt: Thriller (German Edition)
hat eine Weile gebraucht, um über seinen eigenen Schatten zu springen. Als er endlich rübergegangen ist, war das Auto weg. Niemand hat aufgemacht. Am nächsten Tag hat er sie mit einer Freundin gesehen, und es schien alles in Ordnung zu sein. Die Lage zwischen ihm und Lily war noch immer angespannt, und er bekam nie Gelegenheit, sie zu fragen, was denn eigentlich passiert sei.«
»Die Freundin war doch sicher Julia Hackford. Die hat nie vor Gericht ausgesagt.«
»Weil sie nichts zu sagen hatte. Ich hatte den Eindruck, dass sie und Lily zwar viel Zeit miteinander verbrachten, aber kein sehr vertrautes Verhältnis hatten. Deshalb glaubte ich auch, dass da etwas mit Hight lief. Seine Tochter hat nämlich nie von zu Hause geredet. Nicht mit Hackford. Nicht einmal mit Jacob. Laut Jacob hat sie das Thema ausdrücklich gemieden.«
»Also haben Sie beim Prozess Andeutungen fallen gelassen und sind dann wieder zurückgerudert.«
Paladino ging zum Stuhl und griff nach der Gedenktasse. »Mir waren die Hände gebunden. Ich konnte keine alternative Theorie vertreten, ohne meinem Mandanten zu schaden. Wir standen mit dem Rücken zur Wand.«
»Bis die DNA-Proben verschwunden sind.«
»Richtig«, erwiderte er. »Das hat alles verändert. Deshalb hat dieser Prozess auch aus drei Teilen bestanden.«
»Wie haben Sie von den DNA-Proben erfahren?«
»Ein anonymer Tipp. Ich bekam ihn am Ende der ersten Woche. Zunächst habe ich dem Braten nicht getraut, und außerdem hatten wir ja schon selbst eingeräumt, dass das Sperma von Jacob stammte. Doch dann habe ich mir am Wochenende ein paar Gedanken darüber gemacht. Nicht darüber, wie das Labor die Proben verschlampt haben könnte, sondern warum. Warum sind ausgerechnet die Beweisstücke verschwunden, die meinen Mandanten belasteten? Alles andere war nämlich noch an seinem Platz. Die Bluse und das T-Shirt mit Lilys Blut. Der Schraubenzieher, der als Mordwaffe benutzt worden war. Die Blutproben, die der Kriminaltechniker achtlos behandelt und in der Einfahrt vor dem Transporter fallen gelassen hatte. Weshalb hat das Labor ausschließlich die Beweise gegen Jacob verloren?«
»Sie wissen ja, dass man das auch andersherum deuten könnte, Buddy.«
»Und wie?«
Lena zuckte die Achseln.
»Sie haben es ja selbst ausgesprochen. Sie standen mit dem Rücken zur Wand. Die Staatsanwaltschaft hatte Ihnen in einem Ihrer wichtigsten Prozesse die Luft abgedreht. Das Leben Ihres Mandanten stand auf dem Spiel. Und Sie, nicht etwa die Gegenseite, haben am meisten von den Patzern im Labor profitiert. Also könnten genauso gut Sie die Finger im Spiel haben.«
Paladino lachte auf, erhob sich und öffnete einen Schrank. Lena erkannte eine kleine Hausbar, zu der auch ein Weinregal gehörte. Paladino wählte eine Flasche Scotch aus und bot ihr ein Glas an. Als sie ablehnte, schenkte er sich ein Glas ein und nahm einen kleinen Schluck.
»Ich wusste, dass sich das Blatt zu unseren Gunsten wenden konnte«, antwortete er. »Aber ich war noch nicht so weit. Mich interessierte noch immer der Grund. Und ich war nicht mehr bereit, der Argumentation zu folgen, dass es sich um Jacobs Sperma handelte. Ich wollte die Sache von einem unabhängigen Labor überprüfen lassen.«
»Was Ihr gutes Recht, aber auch unmöglich war, da sich die Proben ja in Luft aufgelöst hatten. Wie haben Bennett und Watson reagiert, als Sie den Antrag bei Gericht stellten?«
»Sie behaupteten, nichts von dem Missgeschick zu wissen, doch das war eindeutig nur Theater. Und sie hatten Angst. Als ich das erkannt habe, bin ich erst recht argwöhnisch geworden.«
»Und wie finden Sie die beiden?«, fragte Lena.
Nachdenklich trank Paladino noch einen Schluck Scotch.
»Ich bin nicht begeistert«, erwiderte er. »Wäre es vulgär zu sagen, dass Bennett den Schwanz nicht in der Hose behalten kann?«
Lena schmunzelte.
»Es ist doch nur ein Gerücht, dass die beiden eine Affäre haben.«
»Nur ein Gerücht? Aber, Lena. Die Staatsanwaltschaft hat eine Suite im Bonaventura angemietet, damit niemand während laufender Verhandlungen nach Hause fahren muss. Als ich mit Bennett etwa einen Monat vor Prozessbeginn eine Frage wegen einer eidesstattlichen Versicherung besprechen wollte, teilte man mir mit, er und Watson äßen im Hotel zu Mittag. Also habe ich die Rezeption angerufen, worauf ich vom Restaurant nach oben in die Suite durchgestellt wurde. Watson hat abgehoben. Sie wissen ja, dass man am Tonfall eines Menschen erkennt, ob er gerade
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