Todesakt: Thriller (German Edition)
und Fuß. Also nein: Die Fotos wurden den Geschworenen von beiden Seiten vorenthalten.«
Cobb war es gelungen, diese Information nicht in seine Fallakte einfließen zu lassen. In keinem Bericht stand, die Kriminaltechnik hätte bestätigt, dass Lily Hight die Fotos gemacht und Jacob Gant die Wahrheit gesagt hatte.
Lena schob den Gedanken beseite und sah Paladino an. Bis jetzt hatte er die Tasse mit beiden Händen umschlossen, sodass man die Abbildung darauf nicht sehen konnte. Als er sie ihr nun reichte, erkannte sie hinten und vorne Lily Hights Gesicht mit den Worten: I st die J ustiz wirklich blind ? Die Tasse stammte aus dem Propagandafeldzug vor dem Prozess und gehörte, zusammen mit T-Shirts, Postern und Wandgemälden von Straßenkünstlern, zu der PR-Woge, die damals über die Stadt hinweggebrandet war.
»Verstehen Sie, was ich meine, Lena? Wie kann man gegen so ein Ding, wie Sie es gerade in der Hand haben, anstinken? Die Antwort lautet: Gar nicht. Das schafft niemand. Die Geschworenen waren nicht manipuliert, nein, sie waren in Drohnen verwandelt worden. Und je lauter man schrie, desto mehr schalteten sie auf Durchzug.«
»Sie waren im Begriff, den Prozess zu verlieren«, sagte Lena.
Er nickte und schenkte ihr wieder ein blendendes Lächeln. »Und zwar mit Pauken und Trompeten. Wir hatten keine Chance. Möchten Sie etwas trinken? Eine Tasse Kaffee, Tee oder etwas anderes?«
»Falls Sie einen Kaffee haben, gerne.«
Während Paladino zum Telefon griff, stellte Lena die Tasse weg und ging zum Fenster. Die Sonne versank gerade im Meer. Nach einer Weile gesellte Paladino sich zu ihr, und sie beobachteten gemeinsam, wie sich die Stadt von einem leuchtenden Rot in ein mattes Blau verfärbte.
»Hat Harry Gant Ihnen verraten, was Ihr Mandant bei Johnny Bosco wollte?«
Paladino nickte.
»Sie glaubten zu wissen, wer Lily wirklich ermordet hat. Mehr hat er mir nicht erzählt. Deshalb habe ich Sie angerufen.«
»Gut, und was ist jetzt mit Hight und seiner Tochter? Mit Ihrer Andeutung, er könnte sie missbraucht haben, sind Sie vor den Geschworenen ein großes Risiko eingegangen, und Ihre Beobachter haben dann ja auch bestätigt, dass die es nicht hören wollten. War das ein Schuss ins Blaue, oder hatten Sie konkrete Anhaltspunkte?«
Jemand klopfte an und öffnete die Tür. Eine Frau mittleren Alters, die eine Kochuniform trug, schob einen Wagen ins Zimmer. Paladino bedankte sich bei der Frau, die sich mit einer leichten Verbeugung zurückzog. Auf dem Wagen standen eine Kaffeekanne, zwei Tassen, kleine Schälchen mit weißem und braunem Zucker, verschiedene Schokokekse und Pfefferminzplätzchen und ein Sahnekännchen.
Paladino schenkte eine Tasse ein und reichte sie Lena. Nachdem er sich auch einen Kaffee eingegossen hatte, kehrte er zum Sofa zurück.
»Das war kein Schuss ins Blaue, Lena«, erwiderte er. »Und dennoch kann ich Ihnen keine Bestätigung liefern. Hight schien mir einfach eine seltsame Beziehung zu seiner Tochter zu haben. So eng, dass es einem fast unangenehm wurde. Jacob zufolge hat Lily sich dagegen gewehrt und sich abgegrenzt. Allerdings hat Jacob mir etwas geschildert, das eine Woche vor dem Mord geschehen war und mir sonderbar vorkam.«
»Sie sind doch offen mir gegenüber, oder, Buddy? Sie treiben keine Spielchen?«
Paladino erwiderte wortlos ihren Blick und trank einen Schluck Kaffee.
»Gut«, sagte Lena schließlich. »Was hat Gant beobachtet?«
»Es passierte an einem Freitagabend. Lily ist hastig aus dem Auto gesprungen und ins Haus gerannt. Hight hat sie verfolgt.«
»Und weiter?«
»Jacob fand, Hight habe sie so berührt, wie es sich für einen Vater nicht gehört. Und zwar während einer tätlichen Auseinandersetzung im Auto. Die Tür war offen.«
»Wo hat er sie berührt?«
»Hight hat anscheinend versucht, sie zu küssen und ihr an die Brust zu grapschen. Aber er war nicht sicher.«
»Die Häuser stehen doch nebeneinander. Warum war er nicht sicher?«.
»Hights Einfahrt befindet sich auf der anderen Seite des Hauses. Dort steht die Eiche, und außerdem war es dunkel. Jacob saß bei Licht in seinem Zimmer und las ein Buch. Zeugenaussagen sind schon mittags aus drei Metern Entfernung ziemlich unzuverlässig. Das wissen Sie genauso gut wie ich.«
»Aber sie waren Freunde. Sie hatten etwas miteinander. Warum hat er sich nicht vergewissert, ob alles in Ordnung ist?«
»Sie hatten Streit. Die Nachrichten auf der Mailbox und die SMS aus diesen beiden Wochen waren echt. Er
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