Todesakt: Thriller (German Edition)
Reality-Shows. Die kriege ich nur mit, wenn ich einen Zeichentricksender für die Kinder suche. Sie stecken sechs Versager in ein Haus, nehmen sie dabei auf, wie sie Schwachsinn labern, und irgendwie verkauft sich das dann.«
Lena bemerkte ein kleines, an einem Telefonmast befestigtes Schild. Lowlife stand da, darüber ein Pfeil, der auf das Haus zeigte.
»Genau«, sagte Vaughan, »so heißt die Sendung, Lowlife .«
Während er mit einer jungen Aufnahmeleiterin sprach, zeigte Lena den Polizisten ihre Dienstmarke, drehte sich um und folgte dem Staatsanwalt ins Zelt. Pete London saß an einem Tisch, trank Kaffee und korrigierte mit einem blauen Stift ein Manuskript. Als er sie bemerkte, stand er auf. Sie schüttelten sich die Hand.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte er. »Ich weiß das zu schätzen. Möchten Sie einen Kaffee? Einen Happen zu essen? Die Kantine ist immer geöffnet, und das Essen ist ziemlich gut.«
Lena und Vaughan lehnten dankend ab und nahmen Platz. London schob sein Manuskript beiseite. Den Pappbecher mit Kaffee behielt er in der Hand. Interessanterweise sah er aus wie Tim Hights Bruder, nur gepflegter. Er hatte auch blonde, grau melierte Haare, allerdings den besseren Friseur, trug Jeans und ein leichtes Baumwollhemd, war schlank und hatte eine Schildpattbrille auf der Nase. Eigentlich wirkte er zu intelligent, um eine Reality-Serie mit dem Titel Lowlife zu produzieren, und das noch für einen Musiksender, für den der Zug inzwischen längst abgefahren war.
»Ich habe von den Morden im Club 3 AM gelesen«, begann er. »Und ich mache mir große Sorgen um Tim Hight. Er ist mein Freund, und deshalb habe ich Sie angerufen.«
Nach einem Blick auf Vaughan drehte sich Lena wieder zu London um.
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«, fragte sie. »Hat er Ihnen erzählt, was in der besagten Nacht vorgefallen ist?«
»Nein«, erwiderte London. »Er nimmt meine Anrufe nicht an. Wir haben schon lange nicht mehr miteinander geredet.«
»Seit Sie ihn gefeuert haben?«
Nach einem kurzen Moment nickte London. Lena bemühte sich, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Vaughan übernahm.
»Warum haben Sie ihn gefeuert?«, fragte er.
»Ich habe es nicht gern getan«, antwortete London. »Nachdem Lily ermordet wurde, hat er sich einen Monat Auszeit genommen. Doch als er zurückkam, war er wie verwandelt. Ich habe versucht, so gut wie möglich darüber hinwegzusehen. Aber irgendwann … auch wenn es mir leidtat, was ihm zugestoßen ist … klappte es einfach nicht mehr, und ich musste mich von ihm trennen.«
»Und wie war es vorher?«, fragte Lena. »Was hatte er für ein Verhältnis zu seiner Tochter?«
»Wovon reden Sie?«
Da London Hight offenbar als Freund betrachtete, versuchte Lena, das Thema zwar diskret, aber so direkt wie möglich anzuschneiden.
»Ist Ihnen jemals etwas Merkwürdiges aufgefallen? Etwas, das nicht der Norm entsprach?«
»Sie standen sich nah«, antwortete er. »Aber nicht so, wie Sie meinen.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Vaughan.
»Weil ich den Großteil meines Lebens mit Tim Hight zusammengearbeitet habe und ihn sehr gut kenne. Ich habe Wind der Prärie produziert, seinen besten Film. Drei Monate lang haben wir in Zelten gehaust und unter Bedingungen gedreht, bei denen die meisten das Handtuch geworfen hätten. Glauben Sie mir. Wenn man so eng mit einem Menschen zusammenlebt, gehen einem irgendwann die Geheimnisse aus. Nach einer Weile kennt man sich wie zwei Brüder.«
»Sie scheinen unseren Besuch recht locker zu nehmen«, stellte Lena fest.
»Überhaupt kein Problem. Ich weiß, dass Sie diese Fragen stellen müssen. Das gehört zu Ihrem Job. Ich helfe Ihnen gern. Aber Sie müssen eines verstehen. Gut, Tim trinkt, raucht und nimmt Drogen, doch das hat alles erst nach dem Mord an Lily angefangen. Eigentlich war er nie so. Ihr Tod hat ihm den Rest gegeben. Nicht nur, dass sie gestorben ist, sondern auch die Umstände. Ich habe keine Ahnung, wie es ist, ein Kind zu verlieren, und welche Dämonen einen dann heimsuchen. Ich hoffe nur, dass er bald fremde Hilfe in Anspruch nimmt.«
»Ich gehe davon aus, dass Sie Lily kannten und sie auch öfter gesehen haben«, sagte Lena.
London wandte sich kurz ab und schwelgte in Erinnerungen. »Tim war ein toller Vater. Er hat sie häufig zum Set mitgebracht. Sie hatte ein Händchen für Kameras und Talent und hat sich mit allen Mitarbeitern gut verstanden.«
»Was ist mit Jacob Gant?«, fragte Vaughan. »Hat
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