Todesakt: Thriller (German Edition)
kramte Unterwäsche und Socken heraus. Sie fühlte sich wie vor vielen Jahren, als sie ihren Dad begraben hatte. Auch wenn sie damals noch eine Jugendliche gewesen war. Sie wusste nicht, warum sie so für Cobb empfand oder wie das so schnell hatte geschehen können. Er hatte unbeschreibliche Fehler im Leben begangen, die sich auftürmten wie Berge. Und dennoch schienen gerade diese Fehler ihn auch als Menschen auszumachen. Er hatte nicht nach einem Sündenbock gesucht. Er hatte die Akte nicht geschlossen, im Geheimen weitergearbeitet und Paladino das größte Geschenk von allen gemacht.
Die Blutproben von Jacob Gant waren plötzlich unauffindbar.
Sie wünschte nur, dass sie hätten länger zusammenarbeiten können. Nur noch einen einzigen Fall als richtige Partner.
Sie warf einen Blick auf Vaughan. Er hatte etwas gesagt, was sie nicht mitbekommen hatte. Etwas über Lilys Vater. Lena entdeckte einen Kleidersack aus Plastik und packte Cobbs Sachen ein.
»Was ist mit ihm?«, fragte Vaughan. »Lilys Dad.«
»Bei dem muss ich mich entschuldigen«, antwortete sie. »Und bei seinem Freund.«
»Dem Typen, der sich für ihn eingesetzt hat?«
»Ich bin ihnen etwas schuldig«, wiederholte sie und ließ ein letztes Mal den Blick durch das Zimmer schweifen. »Lass uns von hier verschwinden, Greg.«
Vaughan griff nach dem Kleidersack. Sie gingen hinaus und schlossen die Tür hinter sich ab. Als sie die Treppe zum Hof hinunterstiegen, stand die Asiatin noch immer auf dem gegenüberliegenden Gehweg und beobachtete sie eindringlich.
Vaughan hängte den Kleidersack hinter den Beifahrersitz. Lena stieg ein, schaute sich nach der Frau um und fragte sich, ob sie ihr schon einmal begegnet war. Sie war schätzungsweise um die fünfzig, hatte ein sanftes Gesicht und offene Augen und passte ihrer Kleidung nach nicht in dieses heruntergekommene Viertel. Als Lena den Zündschlüssel umdrehte, winkte die Frau ihr schüchtern zu, und plötzlich rastete etwas ein.
Lena drehte sich zu Vaughan um und sagte, sie sei gleich zurück. Dann überquerte sie die Straße. Sie musste mit der Freundin eines Freundes sprechen, mit der Frau, die sich im Internet als absolut scharf beschrieben hatte. Sie wollte die Frau in Cobbs Leben kennenlernen: Betty Kim.
57
Lena hielt vor Hights Haus. Es war später Nachmittag, und die Sonne versank im Ozean jenseits der Hügel. Sie drehte sich zum Haus um und duckte sich rasch, als sie bemerkte, dass Tim Hight herauskam.
Inzwischen hatte er seinen Mercedes zurück, und sie beobachtete, wie er rückwärts auf die Straße fuhr und davonbrauste.
Kurz hielt Lena unschlüssig inne. Doch im nächsten Moment wendete sie und folgte ihm. Hight bog an der Ocean Park Avenue links ab. Als er den Lincoln Boulevard am Fuße des Hügels erreichte, fuhr er auf einen Parkplatz und ging in den Supermarkt. Lilys Vater wirkte noch immer abgemagert und wackelig auf den Beinen.
Lena suchte sich eine Parklücke in einem sicheren Abstand und spähte durch die Windschutzscheibe.
Sie musste sich bei diesem Mann entschuldigen, so viel stand fest. Hoffentlich fand sie die richtigen Worte. Sie glaubte nicht, dass sie ihm dabei in die Augen schauen konnte. Und trotz ihrer Schuldgefühle wusste sie nicht, ob sie schon bereit dazu war.
Ein Lastwagen bog in den Parkplatz ein, stoppte im Mittelgang und versperrte ihr die Sicht auf den Supermarkt. Als er einige Minuten später endlich wieder verschwand und Lena den Parkplatz absuchte, stand Hights Auto noch immer drei Reihen weiter an derselben Stelle.
Sie dachte an die Last, die Hight mit sich herumschleppte. An den Schmerz und die Trauer, die er in seinem Leben erfahren musste, und die neue Wahrheit, der er sich zu stellen hatte. Wie forsch sie mit ihm umgesprungen war, als sie noch gedacht hatte, er könnte seine eigene Tochter auf dem Gewissen haben. Polizeichef Ramsey und der Bürgermeister von Los Angeles hatten Hight mitgeteilt, dass Bennett der wahre Mörder war, und offenbar war diese Nachricht nicht gut angekommen. Hight hatte sich geweigert, die beiden ins Haus zu lassen. Barrera hatte Lena sogar im Vertrauen zugeflüstert, er habe nicht einmal die Tür aufgemacht.
Lena kurbelte das Fenster herunter. Als sie wieder einen Blick auf den Eingang des Supermarkts warf, sah sie Hight mit zwei Tüten herauskommen. Selbst über die Entfernung konnte sie erkennen, dass die Tüte, die er vor die Brust gedrückt trug, einige Zweiliterflaschen Alkohol enthielt.
Hight öffnete den
Weitere Kostenlose Bücher