Todesangst
- ihre letzten Monate?« fragte Shirley, die offenbar weiterhin sein Schweigen irrigerweise als Zustimmung wertete. »Na, weißt du es? Wenn man nicht diese Unsummen für die Sterbenden aufwenden müßte, wieviel mehr könnte man dann für die Lebenden tun. Wenn wir bei GHP nicht überschwemmt wären von Patienten mittleren Alters, die aufgrund ihrer ungesunden Lebensweise zwangsläufig krank werden müssen, was könnten wir dann alles für die jüngeren Leute tun. Und betreiben nicht Leute, die selbst nicht bereit sind, etwas für ihre Gesundheit zu tun - wie Raucher und Trinker oder Leute, die Drogen nehmen -, ihren eigenen Untergang? Ist es so falsch, ihr Sterben zu beschleunigen, statt daß sie der Solidargemeinschaft zur Last fallen?«
Endlich öffnete Howard den Mund, um zu protestieren, doch er fand nicht gleich die passenden Worte, um ihr zu widersprechen. So schüttelte er nur ungläubig den Kopf.
»Ich kann nicht glauben, daß du dich der Tatsache verschließen willst, daß die heutige Medizin zusammenzubrechen droht unter der Belastung der langfristigen Beanspruchung von Leistungen durch Leute, die nie etwas dafür taten, körperlich fit zu bleiben, sondern die dreißig oder vierzig Jahre lang Mißbrauch trieben mit dem Körper, den ihnen Gott schenkte.«
»Aber eine solche Entscheidung steht doch weder dir noch mir zu!« schrie Howard endlich.
»Auch nicht, wenn der Alterungsprozeß lediglich durch eine völlig natürliche Substanz beschleunigt wird?«
»Das ist Mord!« Jason Howard sprang auf. Auch Shirley erhob sich und trat entschlossen auf die Flügeltür zu, die in das Eßzimmer nebenan führte. »Ich habe wirklich getan, was ich konnte«, sagte sie und öffnete die Tür. »Kommen Sie herein, Mr. Diaz.«
Howards Mund wurde trocken, als er sich dem Mann gegenübersah, mit dem er zuletzt im ›Salmon Inn‹ zusammengetroffen war. Dessen hübsches dunkles Gesicht strahlte erwartungsvoll. Er hielt eine kleine Schußwaffe aus deutscher Produktion mit einem etwa zigarrengroßen Schalldämpfer in der Hand.
Howard tat schwerfällig ein paar Schritte rückwärts, bis er an der Wand stand. Seine Augen wanderten von der Waffe des Killers zu dessen Gesicht und dann zu Shirley, die ihn so ruhig anschaute, als sei man bei einer geschäftlichen Besprechung.
»Kein Tischtuch dieses Mal!« sagte Diaz mit breitem Lächeln, das ein blendendweißes Gebiß wie bei einem Filmstar zur Geltung brachte. Er trat auf Howard zu und hielt ihm die Mündung seiner Waffe vors Gesicht. »Adieu!« sagte er mit einem freundlichen Kopfnicken.
17
»Mr. Diaz!« sagte Shirley.
»Ja«, antwortete der Mann, ohne die Augen von Jason Howard zu lassen.
»Sie werden ihn nicht erschießen, solange er Sie nicht dazu zwingt. Es ist viel besser, wenn wir mit ihm verfahren wie mit Alvin Hayes. Ich werde Ihnen morgen das Material aus der Klinik mitbringen.«
Howard atmete aus - noch war ihm gar nicht bewußt geworden, daß er den Atem angehalten hatte.
Das Lächeln verschwand aus Diaz’ gutgeschnittenem Gesicht. Er runzelte die Brauen, sichtlich enttäuscht und ärgerlich. »Ich meine, daß es viel sicherer wäre, wenn ich ihn jetzt gleich umlege!«
»Was Sie meinen, ist mir egal - und Sie werden von mir bezahlt. Also schaffen Sie ihn hinunter in den Keller. Und keine Gewalttätigkeiten bitte - ich weiß genau, was ich zu tun habe.«
Diaz setzte die Waffe seinem Opfer an die Schläfe. Es war Howard klar, daß er auf den kleinsten Anlaß lauerte, ihn abzuknallen; er machte daher nicht die geringste Bewegung und stand vor Furcht wie versteinert.
»Kommen Sie schon!« rief Shirley aus der Eingangshalle.
»Los!« befahl Diaz und nahm die Pistole von Howards Kopf.
Der lief steifbeinig los, die Arme an die Seiten gepreßt. Diaz ging dicht hinter ihm und drückte ihm die Waffe in den Rücken.
Shirley Montgomery öffnete eine Tür unter dem Treppenaufgang gegenüber der Eingangstür. Howard konnte ein paar Stufen erkennen, die ins Untergeschoß führten.
Als er näher trat, suchte er Shirleys Blick, doch sie wandte sich ab. Er trat durch die Tür und ging, dicht gefolgt von Diaz, hinunter.
»Ärzte verblüffen mich«, sagte Shirley, während sie das Kellerlicht anmachte und die Tür hinter sich schloß. »Die bilden sich immer ein, bei ihrer Arbeit gehe es gezielt um die Heilung von Kranken. In Wahrheit ist aber, wenn man sich um die ungesund lebenden Leute kümmert, gar nicht genug Geld oder menschliche Arbeitskraft da, um
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