Todesangst
sich die Tür, und Dr. Howard konnte hineingehen.
Das Labor bestand aus zwei Abteilungen. Die erste war völlig mit weißem Resopal und weißen Kacheln ausgestattet und bestand aus einem großen Hauptraum und einigen an dessen einer Seite gelegenen Nebenräumen. Sehr helle Deckenbeleuchtung tauchte alles in blendendes Licht. Der Hauptraum war angefüllt mit modernstem wissenschaftlichem Gerät, von dem vieles Dr. Howard gänzlich unbekannt war. Den Zugang zur zweiten Abteilung versperrte eine mächtige Stahltür, neben der ein Schild verkündete: VERSUCHSTIERSTATION UND BAKTERIENINKUBATORENRAUM: KEIN EINTRITT.
An einem der ausladenden Labortische saß eine sehr blonde junge Frau, die Dr. Howard schon mehrfach in der Cafeteria der Klinik aufgefallen war. Sie hatte scharfgeschnittene Gesichtszüge und eine leicht gebogene Nase, ihr Haar war straff nach hinten gekämmt und dort zu einem großen Nackenknoten gebunden. Howard sah, daß ihre Augen gerötet waren, als ob sie heftig geweint hätte.
»Verzeihen Sie die Störung«, sagte er, »ich bin Dr. Jason Howard.« Er streckte ihr zur Begrüßung die Hand hin, und sie ergriff sie; ihre Haut war kühl.
»Helene Brennquivist«, stellte sie sich mit einem leichten skandinavischen Akzent vor.
»Hätten Sie vielleicht einen Augenblick Zeit für mich?« fragte Dr. Howard.
Sie antwortete nicht, schlug aber ihr Notizbuch zu und schob einen Stapel Petrischalen zur Seite.
»Ich würde Ihnen nämlich gerne ein paar Fragen stellen«, fuhr Howard fort. Es fiel ihm auf, daß sie es in einem geradezu unheimlichen Ausmaß verstand, einen absolut neutralen Gesichtsausdruck zu bewahren.
»Das ist, oder war, Dr. Hayes’ Labor?« fragte er mit einer den Raum und seine Ausstattung umfassenden Armbewegung.
Sie nickte.
»Und Sie arbeiteten mit Dr. Hayes zusammen?«
Ein erneutes Nicken, etwas weniger nachdrücklich als das erste. Es schien Dr. Howard, als habe er bereits eine abwehrende Haltung heraufbeschworen.
»Ich nehme an, daß Sie die schlechten Nachrichten in bezug auf Dr. Hayes bereits kennen«, sagte der Arzt. Diesmal zwinkerte sie mit den Augen, und es kam ihm vor, als seien sie feucht von Tränen.
»Ich war mit Dr. Hayes im Augenblick seines Todes zusammen«, erläuterte Howard, während er sie aufmerksam betrachtete. Mit Ausnahme der feuchten Augen wirkte sie seltsam gefühllos, und er fragte sich, ob nicht gerade das ein Anzeichen besonderen Kummers sei. »Unmittelbar vor seinem Tod erklärte er mir, daß er eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung gemacht habe…«
Der Arzt ließ bewußt den Anfang seines Satzes in der Luft hängen in der Hoffnung, daß die Frau einhaken würde. Das aber tat sie keineswegs, sondern starrte ihm stillschweigend ins Gesicht.
»Nun, war das so?« fragte er und beugte sich dabei gespannt nach vorne.
»Es war mir nicht bewußt, daß Sie mit Ihrem Satz zu Ende waren«, wandte die Frau ein. »Es war ja auch eigentlich keine Frage, genaugenommen.«
»Nun gut«, räumte Dr. Howard ein. »Ich hoffte einfach, daß Sie hier einhaken würden. Und ich hoffe, Sie können mir erklären, wovon Dr. Hayes gesprochen hat.«
»Es tut mir leid - aber das kann ich nicht. Es waren schon andere Leute aus der Verwaltung bei mir und haben mir diese Frage gestellt. Leider habe ich wirklich gar keine Ahnung, was Dr. Hayes mit seiner Andeutung gemeint haben könnte.«
Es fiel Howard ein, daß wohl Shirley Montgomery gleich heute morgen als erstes Helene Brennquivist ausgefragt hatte.
»Sind Sie neben Dr. Hayes die einzige, die hier im Labor tätig ist?«
»So ist es«, antwortete sie. »Wir hatten zwar eine Sekretärin, aber Dr. Hayes warf sie vor drei Monaten hinaus. Er war der Meinung, sie schwätze zuviel.«
»Was fürchtete er denn, das sie ausplaudern könne?«
»Ach, alles und jedes. Dr. Hayes war ein außerordentlich verschlossener Mensch, besonders was seine Arbeit betraf.«
»Das habe ich nun schon mehrfach gehört«, sagte Jason Howard. Sein erster Eindruck, daß Hayes von einer Paranoia befallen worden sei, schien sich zu bestätigen. Dennoch bohrte er weiter: »Was machen Sie denn hier genau, Miß Brennquivist?«
»Ich bin als Molekularbiologin auf demselben Fachgebiet tätig wie Dr. Hayes, aber natürlich weit von seinen Fähigkeiten entfernt. Ich beschäftige mich damit, durch DNA-Rekombinationstechniken Kolibakterien umzuwandeln, um daraus bestimmte Proteine zu gewinnen, an denen Dr. Hayes interessiert war.«
Jason Howard nickte,
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