Todesangst
warf einen Blick hinein. Wie er erwartet hatte, fand er dabei die übliche Röntgenaufnahme des Brustraums, die vor sechs Monaten gemacht worden war. Er schaute sie sich kurz an und suchte dann, mit der Aufnahme in der Hand, nach einem der vier Röntgenärzte der Abteilung. Als er Dr. Milton Perlman aus einer Tür treten sah, stürzte er auf ihn zu, schilderte ihm den Tod von Alvin Hayes und die Ergebnisse der Obduktion, und drückte ihm die Röntgenaufnahme in die Hand. Dr. Perlman nahm die Aufnahme mit in sein Zimmer, hängte sie an den Bildschirm, studierte sie eine ganze Minute lang sorgfältig und wandte sich dann an seinen Kollegen.
»Keinerlei Anzeichen für ein Aneurysma«, sagte er. Er kam aus West Virginia und sprach gerne so, als ob er gerade am Tag vorher einen Bauernhof dort verlassen hätte. »Die Aorta wirkt völlig normal, von Verkalkung ist nicht das geringste zu entdecken.«
»Ist das wirklich möglich?« fragte Dr. Howard.
»Stimmt schon so«, antwortete Milton Perlman. »Kann natürlich mal vorkommen, daß die Namen verwechselt werden, aber davon würde ich nicht ausgehen. Wenn der Mann wirklich an einem Aneurysma starb, muß sich das innerhalb des letzten Monats entwickelt haben.«
»Von so etwas habe ich aber noch nie gehört!«
»Was kann ich dazu schon sagen?« meinte der Röntgenarzt und breitete, mit den offenen Handflächen nach oben, die Arme aus.
Jason Howard ging in sein Arbeitszimmer zurück und grübelte über die Sache nach. Ein Aneurysma konnte sich rasch ausbeulen, besonders wenn der Patient gleichzeitig eine ausgesprochene Gefäßschwäche und hohen Blutdruck hatte. Aber als er die Untersuchungsergebnisse von Alvin Hayes nochmals durchgegangen war, hatten diese, wie er es erwartet hatte, völlig normale Werte für Blutdruck und Herzgeräusche gezeigt. Da es auch keinerlei Hinweise auf Gefäßschwäche gab, mußte sich Dr. Howard sagen, daß er im Augenblick nichts weiter tun könne, als auf die Plättchen mit den Gefäßschnitten zu warten. Vielleicht hatte sich sein Kollege irgendeine merkwürdige Infektion zugezogen, die sich auf seine Blutgefäße einschließlich seiner Aorta ausgewirkt hatte. Zum erstenmal fragte sich Dr. Howard, ob sie hier vielleicht auf eine neue und schreckliche Krankheit gestoßen seien.
Er tauschte seine Anzugjacke gegen einen weißen Arztkittel und trat, ihn gerade noch zuknöpfend, aus der Tür seines Büros. Dabei prallte er fast auf Sally, die sofort vorwurfsvoll sagte: »Sie sind zu spät dran!«
»Na und, was ist daran neu?« fragte er und eilte ins Untersuchungszimmer A.
Weil er sehr zügig arbeitete, aber auch einfach, weil er Glück hatte, gelang es Dr. Howard, die verlorene Zeit wieder einzuholen. Das Glück bestand darin, daß weder neue Patienten auftauchten, die sehr gründlich untersucht werden mußten, noch bisherige über neue Symptome klagten. So gegen drei gab es sogar eine kleine Pause, weil jemand abgesagt hatte.
Den ganzen Nachmittag über hatte Howard jedoch die Geschichte mit Hayes nicht aus seinen Gedanken verbannen können. Daher nutzte er sofort diese kleine Unterbrechung und die damit gewonnene Zeit, um in den fünften Stock zu eilen, wo die Arbeitsräume von Alvin Hayes lagen. Er hoffte, daß vielleicht dessen Assistentin eine Vorstellung davon hatte, worum es sich denn nun wirklich bei dem »großen Durchbruch«, von dem Dr. Hayes gesprochen hatte, handelte.
Dr. Howard trat aus der Aufzugtür und fühlte sich fast wie in einer anderen Welt. Als Anreiz für Alvin Hayes, für GHP tätig zu werden, hatte man ihm ein brandneues Labor eingerichtet, das einen guten Teil des fünften Stocks einnahm. Der Bereich vor dem Aufzug war ausgestattet mit bequemen Ledersesseln, dickflorigen Teppichen und sogar einem großen, mit Glastüren versehenen Bücherschrank, der gefüllt war mit neuerer Literatur auf dem Sektor Molekularbiologie. Hinter diesem Empfangsraum lag ein Raum als eine Art Schleuse; hier sollten Besucher lange Mäntel anziehen und Überschuhe anlegen. Dr. Howard versuchte die Tür zu öffnen - sie war nicht abgeschlossen, und er trat ein.
Er legte einen Schutzmantel und die Überschuhe an und drückte dann die Klinke der in den nächsten Raum führenden Tür nieder. Diese war jedoch abgeschlossen, womit er gerechnet hatte; daneben an der Wand befand sich ein Klingelknopf. Er drückte darauf und wartete. Über dem Türsturz leuchtete das rote Lämpchen einer Überwachungs-Fernsehkamera auf. Schließlich öffnete
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