Todesangst
als ob ihm das alles ganz klar sei. Dabei hatte er von der DNA-Rekombination zwar schon gehört, aber doch eher eine recht vage Vorstellung davon, wie das tatsächlich ablief. Seit er sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, hatten sich die Dinge gerade auf diesem Gebiet nahezu explosionsartig entwickelt. Dennoch erinnerte er sich an etwas recht genau - und das war die Furcht davor, daß durch derartige Rekombinationstechniken neue Bakterien entstehen könnten, die neue und unbekannte Krankheiten auszulösen vermochten. Im Gedanken an den plötzlichen Tod von Hayes fragte er daher: »Ist es denkbar, daß bei Ihrer Arbeit vielleicht neue und möglicherweise gefährliche Arten entstanden?«
»Nein«, antwortete sie ohne jedes Zögern.
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Aus zwei Gründen. Der erste: Diese ganze Rekombinationsarbeit wurde von mir durchgeführt und nicht von Dr. Hayes. Und der zweite: Wir benutzen hier eine Art von Escherichia-Koli, die außerhalb des Labors gar nicht lebensfähig ist.«
»Aha«, bemerkte Dr. Howard und nickte ihr aufmunternd zu.
»Das besondere Interesse von Dr. Hayes galt dem Wachstum und der Entwicklung. Er widmete den größten Teil seiner Arbeitszeit der Isolierung der Wachstumshormone aus dem Hypothalamus-Hypophysen-System, das Pubertät und Geschlechtsreife regelt. Wachstumshormone sind Proteine - ich nehme an, daß Ihnen das geläufig ist.«
»Aber gewiß«, sagte Dr. Howard. Was er dabei dachte, war: Welch eine seltsame Frau. Ihre Unterhaltung war zunächst so schwer angelaufen - jedes Wort hatte man ihr aus den Zähnen ziehen müssen. Doch nun, da man sich auf wissenschaftlichem Gebiet bewegte, war sie außerordentlich mitteilsam.
»Dr. Hayes nannte mir ein bestimmtes Protein, und meine Aufgabe war es dann, es durch entsprechende DNA-Rekombination zu erzeugen. Genau darum drehte sich meine Arbeit hier.« Sie wandte sich dem Stapel von Petrischalen zu, nahm eine davon und zog den Deckel herunter. Dann streckte sie sie Dr. Howard hin. Auf der Oberfläche schwammen weißliche Klumpen von Bakterienkolonien.
Helene Brennquivist ordnete die Schale anschließend wieder im Stapel ein und fuhr fort: »Was Dr. Hayes besonders faszinierte, war der Ein- und Ausschaltmechanismus der Gene, das Gleichgewicht zwischen Genexpression und Genrepression und die Rolle der Repressorproteine und ihre Anbindung an die DNA. Er hat das Wachstumshormon dabei sozusagen als Prototyp behandelt. Möchten Sie dazu vielleicht einmal sein letztes Diagramm von Chromosom 17 sehen?«
»Aber natürlich«, antwortete Howard und zwang sich zu einem Lächeln.
Da erklang ein Warnton im Labor und übertönte für einen kurzen Moment das Summen der elektronischen Ausstattung. Ein Bildschirm vor Helene Brennquivist leuchtete auf und zeigte draußen vor der Tür vier Menschen und einen Hund. Zwei der Besucher erkannte Howard sofort: Shirley Montgomery und Michael Curran, den Kriminalbeamten. Die beiden anderen waren ihm unbekannt.
»Na, so was«, sagte Dr. Hayes’ Assistentin und drückte auf den Einlaßknopf.
Jason Howard erhob sich, als die Neuankömmlinge eintraten. Shirley Montgomery stutzte bei seinem Anblick kurz, stellte dann aber ohne eine weitere Bemerkung der jungen Frau den Kriminalbeamten vor. Als dieser sofort Helene Brennquivist auszufragen begann, zog Shirley Dr. Howard am Arm in das nächstgelegene Büro, von dem dieser annahm, daß es wohl das von Alvin Hayes sein müsse. Die Wände waren bedeckt mit Großaufnahmen der menschlichen Genitalien in den verschiedenen Stadien der Pubertät, alle säuberlich gerahmt mit schmalen Edelstahlleisten.
»Welch hübsche Dekoration!« kommentierte Dr. Howard abschätzig.
Shirley Montgomery beachtete die Aufnahmen gar nicht, oder tat zumindest so. Ihr gewöhnlich sehr ruhiges Gesicht hatte nun einen Ausdruck von Besorgnis und Unruhe. »Diese ganze Geschichte scheint aus dem Ruder zu laufen.«
»Wie meinen Sie das?« fragte er.
»Offensichtlich hat die Polizei heute nacht einen anonymen Hinweis bekommen, daß Dr. Hayes mit Drogen zu tun hatte. Sie durchsuchten seine Wohnung und fanden eine erhebliche Menge Heroin, Kokain und auch Bargeld. Nun haben sie einen Durchsuchungsbefehl für sein Labor.«
»Aber um Gottes willen!« sagte Dr. Howard - jetzt war ihm auch klar, warum man den Hund mitgebracht hatte.
»Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, hat man auch noch herausbekommen, daß er mit einer Frau namens Carol Donner
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