Todesbraut
dass er Sie damit gemeint hat.«
»Ich habe die Tote gefunden, gemeinsam mit Peer Wasmuth. Wie Sie wissen, hatte ich einen Termin mit Shirin Talabani.«
»Sie haben sich als Ermittlerin aufgespielt, haben sich am Handy der Toten zu schaffen gemacht und Informationen erhalten, die nicht für Ihre Ohren und Augen bestimmt waren.« Kosian ließ ihre Stimme weich und sicher wie einen Fluss aus Honigwasser klingen.
Ein Mann hätte an ihrer Stelle gebrüllt und ein paar Flüche zwischen die Silben gesetzt. Damit konnte Wencke umgehen, doch diese subtilen Vorwürfe waren ihr unheimlich.
»Natürlich habe ich nichts angefasst, keine Spuren verwischt oder unbrauchbar gemacht …«
»Das wäre ja wohl auch noch schöner!«
»Herr Wasmuth und ich haben mehr als eine halbe Stunde unsere Aussagen zu Protokoll gegeben.«
»Und direkt danach hätten Sie gehen müssen!«
»Niemand hat mich fortgeschickt.«
»Wer sollte denn das bitte tun, wenn Sie erzählen, dass Sie vom LKA sind?« Nun wurde der Ton doch etwas schärfer. »Soweit ich weiß, war es Ihr Wunsch, diese Stelle zu übernehmen. Reine Forschungsarbeit, darauf hatten Sie sich beworben. Auch wenn Ihr Tätigkeitsbereich im Vergleich möglicherweise etwas trocken und sehr theoretisch angelegt ist, als Alleinerziehende haben Sie so relativ geregelte Arbeitszeiten. Darauf kam es Ihnen doch an, oder? Wie heißt Ihr Sohn noch mal?«
»Hugo.« Es ging diese Schlange einen Feuchten an, wie Emil hieß. »Er hat einen Platz in der International School, und die liegt hier um die Ecke. Bis 18 Uhr wird er dort betreut. Sie können sich also sicher sein, dass er kein Problem darstellen wird.«
»Habe ich das behauptet?« Sie schnalzte dreimal mit der Zunge wie eine tadelnde Gouvernante.
»Haben Sie auch Kinder?«
Kosian ließ die Frage unbeantwortet, das sagte alles. »Sie sind unsere Fachfrau für abgeschlossene Fälle und können uns mit Ihren Ergebnissen das eine oder andere Mal hilfreiche Hinweise geben. Wir sind alle sehr froh, dass diese Stelle geschaffen wurde.«
Das nehme ich dir nicht ab, dachte Wencke.
»Aber machen Sie es nicht unnötig kompliziert, indem Sie anfangen, unsere Bereiche zu vermischen. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ich soll Ihnen nicht ins Handwerk pfuschen …«
»Nein, so habe ich das nicht gemeint. Natürlich arbeiten wir eng zusammen.« Kosian unterstützte ihre Aussage, indem siesich sehr weit zurücklehnte und die Arme demonstrativ vor der Brust verschränkte. Sie waren beide psychologisch genug geschult, um die Geste richtig zu deuten.
Wencke hatte mit diesen Vorwürfen gerechnet, und sie hatte die Zeit im Auto dazu genutzt, sich entsprechend zu wappnen. Dies war die erste direkte Kollision mit ihrer Chefin, und es war absehbar, es würde nicht die letzte sein. Umso wichtiger war es, hier und heute zu klären, was sie in Zukunft mit sich machen ließ, und was nicht. Früher war Wencke meist unsicher gewesen, hatte sich ständig einschüchtern lassen und bei vielen Wortduellen den Kürzeren gezogen. Heute tat sie zumindest so, als hätte sich das geändert.
Sie drückte ihren Rücken gerade. »Sie sagten vorhin am Telefon, wir sollten meinen Aufgabenbereich definieren.« Die Kosian nickte kurz. »Korrigieren Sie mich, wenn ich etwas falsch verstanden habe, aber das LKA verspricht sich von meiner aktuellen Arbeit, mehr über die Gewalttaten zu erfahren, die im Zusammenhang mit archaischen Wertvorstellungen anderer Kulturen verübt wurden, oder nicht?«
»Kommen Sie auf den Punkt!«
»Ich heiße Wencke Tydmers, bin die Tochter einer Malerin und eines Bürokraten, beide sind Deutsche. Ich wurde geprägt durch die Grundschulzeit in Worpswede und das Gymnasium Lilienthal, habe mein Studium in Hannover absolviert, danach in Ostfriesland gelebt und war bis vor Kurzem zur Weiterbildung in den USA …«
»Ihren Lebenslauf habe ich bereits studiert, bevor Sie in meine Abteilung gekommen sind.«
»Auf gut Deutsch: Mein kosmopolitisches Wissen beschränkt sich bestenfalls auf die westliche Hemisphäre. Doch von der Welt der Kurden habe ich keine Ahnung. Was in Armanc Mêrdîn vorgeht, ist mir ein Rätsel; die Ängste seiner Schwester bleiben für mich unvorstellbar. Warum verschleiernsich die jungen Mädchen wieder? Weshalb machen ansonsten moderne, sympathische Jungen bei derart grausamen Ritualen mit?« Es gelang ihr, diese zurechtgelegten Sätze relativ locker über die Lippen zu bringen. Jetzt kam es darauf an, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher