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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dürfte.
    Doch kurz darauf wuchsen an genau diesen Stellen zwei Schlangen aus dem Leib des Königs, die man nicht töten oder von ihm abtrennen konnte. Kein Heilkundiger im Lande vermochte Zahhak zu helfen.
    Und wieder erschien das Böse, dieses Mal in Gestalt eines Arztes, der den Rat erteilte, die Schlangen würden wieder verschwinden, wenn man sie täglich mit den Gehirnen zweier Kinder fütterte. Der Verzweifelte zögerte nicht, diesen Rat zu befolgen.
    Doch es gab zwei mutige Männer im Land, die das blutrünstige Geschehen am Hof nicht länger mit ansehen konnten. Sie gaben sich als Köche aus und nutzten die Gelegenheit,als man zwei Kinder zur Tötung brachte, eines von ihnen laufen zu lassen. Damit es nicht auffiel, mischten sie Schafshirn dazu und servierten es den Schlangen. Den geretteten Jungen aber schickten sie in die Berge, damit er sich dort verstecken konnte.
    Der Betrug fiel nicht auf, und so retteten die beiden mutigen Köche vielen Jungen und Mädchen das Leben.
    Die Geflüchteten aber harrten in ihrem Versteck und wagten zeit ihres Lebens nicht, die kargen Berge zu verlassen. Sie blieben unter sich, sprachen miteinander in einer eigenen Sprache, gründeten ihre eigenen Familien.
    Und aus diesen Menschen, die gerettet wurden vor dem grausamen Herrscher, die aus Angst vor der Welt lieber unter sich blieben irgendwo in den unwegsamen Wüsteneien Persiens, aus diesen Menschen, so erzählt es die Sage, wuchs das Volk der Kurden.

5.
    Musste man wirklich bei Tyrannen anfangen, denen Monster aus den Schultern wuchsen, wenn man das Leben der Kurden verstehen wollte? Bei Gut und Böse, Tod und Leben? Wencke steckte die Broschüre ein, die sie im Wartezimmer der Anwaltskanzlei hatte liegen sehen. Die Überschrift des Heftchens klang viel versprechend: ›Kurden   – Ein Volk ohne Heimat erkennt seine Wurzeln‹. Autorin war Kutgün Yıldırım, Armanc Mêrdîns Verteidigerin, der sie beim gestrigen Interview bereits begegnet war.
    Die Anwaltsgehilfin, die sich als Papatya vorgestellt hatte, saß telefonierend hinter ihrem Tresen und blickte ab und zu durch die halb geöffnete Tür. Sie trug Kopftuch, genau wie ihreChefin. Vielleicht war das Einstellungsvoraussetzung, dachte Wencke. Obwohl an den Wänden dieser schmucken Büroetage etliche Pamphlete eingerahmt waren, die von mehr Toleranz zeugten – Frauen mit blondem und schwarzem, kurzem und langem, offenem und verschleiertem Haar, auch eine Nonne war darunter. »Eine Frau mit Kopf trägt, was sie will.« Untertitel: »Gegen das rigorose Kopftuchverbot für Lehrkräfte in Deutschland!«
    Wencke wartete schon seit fast einer halben Stunde, in der sie demonstrativ auf keinem der Sessel Platz genommen hatte. Sie hatte die Gelegenheit genutzt, alles anzusehen, was an Informationen ausgehängt war. Ein Zeitungsausschnitt über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, das die Türkei wegen mangelnden Einsatzes gegen häusliche Gewalt verurteilte. Tabellen, auf denen verschiedene Statistiken gelistet waren, die schockierend hohe Zahl der zwangsverheirateten Minderjährigen in Deutschland oder die schockierend niedrige der Türken mit Schulabschluss. Daneben prangte eine Karikatur: Ein frustriertes Ehepaar schaut sich einen T V-Krimi an. Die Frau beschwert sich: »Toll, von den drei Verdächtigen sitzt der eine im Rollstuhl und der andere ist Ausländer.« Darauf der Mann: »Der Tatort war auch schon mal spannender.«
    »Arbeiten Sie schon lange für Frau Yıldırım?«, fragte Wencke die Anwaltsgehilfin, als die gerade mal nicht telefonierte oder die langen Fingernägel über die Tasten ihres PCs springen ließ.
    »Seit mehr als zehn Jahren«, antwortete Papatya nicht ohne Stolz. »Sie ist die Beste in Hannover.«
    »Auf welchem Gebiet?«
    »Sie macht alles, was irgendwie mit unserer Kultur zusammenhängt. Das ist ihr Thema. Von A wie Abschiebung bis Z wie Zwangsheirat, sage ich immer.« Sie zeigte mit fast tänzerischerBewegung auf die drei Reihen Aktenordner, die auf dem Regal hinter ihr standen.
    »Und was war das Spannendste, was Sie hier bislang erlebt haben?«
    »Da muss ich nicht lange überlegen«, kam es pfeilschnell. »Vor zwei Jahren der Fall Kaan Badili. Davon haben Sie sicher in den Medien gehört   …«
    Wencke musste passen. »Ich war einige Jahre in den USA   …«
    »Wir hatten mal einen Asylbewerber, der in der Türkei als PK K-Aktivist verfolgt wurde, Kaan Badili war sein Name. Hätte er zurück in die Heimat

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