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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hallo?« Niemand schien sie zu hören. Das Fensterchen war so klein, dass nur ein magerer Säugling sich dadurch nach draußen retten könnte. »Kann mir mal jemand helfen? Ich kriege die Tür nicht auf.« Was für eine dämliche Entschuldigung, die sie ihrer Vorgesetzten gleich würde servieren müssen. Eingesperrt auf einem picobello Gästeklo in einem Haus, in dem sie laut Dienstvorschrift eigentlich nichts zu suchen hatte. »Hallo?«
    Niemand kam. Wencke setzte sich auf den Toilettendeckel und überlegte. Die Liste mit den notierten Telefonnummern fiel ihr ein. Die paar Zahlen waren flink ins Handy getippt und fast im selben Moment erschallte ein hektisches Geklingel.
    »Völker?« Die leicht gereizte Gattin hatte abgenommen.
    »Wencke Tydmers hier. Es mag blöd klingen, aber ich komme nicht aus Ihrer Toilette, die Türklinke   …« Das Gespräch wurde unterbrochen.
    »Karsten! Ich hatte dir einen Zettel geschrieben: Mach – die – Türklinke – fest!«, hörte Wencke die schlagartig schrille Stimme der Frau durch den Flur hallen und fragte sich, zu welchem Ausdruck das so brave Gesicht in diesem Moment entglitten war. »Hundertmal hab ich dir das gesagt! Diese verdammte Türklinke! Zwei Minuten, mehr nicht! Für jeden Scheiß hast du Zeit, für Gott und die Welt, für Fußball und Türken! Aber hier zu Hause – da geht alles, alles vor die Hunde!«

… Glut   …
    Gelber, fettiger Saft tropft in die Schale, sammelt sich in den Rillen, fließt in den Auffangbehälter. Der glühende Grill bräunt den Fleischspieß von allen Seiten. Das elektrische Messer schabt dünne Scheiben ab, sie fallen in die Schüssel, zwei Portionen, perfektes Augenmaß. Das Pide wartet aufgeschnitten neben der Arbeitsfläche. Weißkraut, Rotkohl, Salat, Gurke und Saucen isst in der Türkei kein Mensch dazu, das ist eine rein deutsche Erfindung. Man hat schon mal versucht, diese Kombination als Fastfood in der Türkei einzuführen – absolut erfolglos.
    Es sind die letzten Tage vom Ramadan. Bald ist der Fastenmonat vorbei, dann wird
Bayram
, das Zuckerfest, gefeiert. Doch im Grunde merkt man hier keinen Unterschied. Obwohl das Fasten zu den fünf Säulen des Islam gehört, hält sich hier in Deutschland kaum ein Moslem daran. Es ist ein Monat wie alle anderen. Die türkischen Landsleute kommen in den Laden, egal, ob man die Mondsichel sehen kann oder nicht.
    Und bei der Hitze ist der Durst nicht zu ertragen. Die eiskalte Cola tut gut.
    Im Radio läuft ein Privatsender, ein Moderatorenduo macht Scherze über Heidi Klums Intelligenzquotienten, danach spielen sie einen Song von Seal.
Metropol FM
wird nur eingestellt, wenn der Chef zugegen ist. Onkel Serat besteht darauf, dass in seinem Laden türkische Musik gespielt wird. Er glaubt fest daran, dass es den Umsatz steigert, weil es authentischer wirkt.
    Heute ist ein ruhiger Nachmittag, außer dem Kunden, fürden die beiden Döner sind, stehen noch zwei Teenagermädchen neben dem Getränkekühlschrank und hören Musik. In der Kasse ist nicht viel Geld. Am Wochenende sitzt mehr drin, dann lohnt sich das Geschäft. Wegen der Nähe zum Bahnhof haben sie mehr Andrang, wenn gegen Abend die Pendler aus Hannover ankommen. So gegen fünf. In einer guten Stunde also. Es lohnt noch nicht, einen neuen Spieß aus dem Kühlraum zu holen.
    Vor dem Imbiss hält ein Passat. In Niedersachsen fährt die Polizei Volkswagen. Jeder in Wunstorf kennt die Zivilfahrzeuge, ein dunkelroter, ein silberner und ein blauer Kombi. Zwei Männer und eine Frau steigen aus, sie scheinen es eilig zu haben. Manchmal essen die Polizisten hier in der Mittagspause Döner oder Lahmacun. Aber diese drei machen nicht den Eindruck, besonders hungrig zu sein.
    Der Kunde lässt sich das Essen einpacken, bezahlt und verabschiedet sich. Er kommt mindestens einmal die Woche, arbeitet in der Bank. Kundenberater – deswegen nimmt er nie Zwiebeln und Tzaziki. Als er den Laden verlässt, treten die drei Polizisten ein und zeigen ihre Ausweise.
    Die Mädchen am Getränkeautomaten setzen erschrocken die Kopfhörer ab. Vielleicht haben sie etwas angestellt und fürchten nun, dass die Ordnungshüter ihretwegen gekommen sind. Aber die Beamtin wendet sich an den Mann, der eben das Fleisch vom Spieß geschabt hat. Obwohl sie ihn vom Sehen kennt, vergewissert sie sich und fragt nach seinem Namen.
    Die beiden Teenager wollen wissen, ob sie gehen dürfen, sie hätten noch Hausaufgaben zu erledigen. Die Beamten nicken ihnen zu. Selten laufen die

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