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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gemusst, er wäre wahrscheinlich für immer hinter Gittern gelandet, und man weiß ja, wie es in türkischen Gefängnissen zugeht. Damals bei dem Abschiebungsverfahren gab es richtig Tumulte vor dem Gericht, weil unser Mandant so etwas wie ein PK K-Promi war. Das war aufregender als jeder Thriller, das können Sie mir glauben.«
    »Und? Wer hat gewonnen?«
    »Wir natürlich!«, grinste Papatya, dann beendete ein Anruf das kurzweilige Gespräch und Wencke musste sich wieder mit den Aushängen im Flur beschäftigen.
    Auf einer Türkeikarte waren die Schätze des Landes eingezeichnet: Tabak, Tee, Mais, Oliven, Nüsse, Baumwolle, Badestrände. In Shirin Talabanis Heimat, die an der Grenze zu Syrien lag, gab es so gut wie kein Symbol. Dafür zwei Flüsse, Euphrat und Tigris, nach Überlieferungen sollte hier der Garten Eden zu finden gewesen sein. Wencke hatte keine Ahnung, wie viel Paradies davon heute noch übrig war. Im Nordosten lag der höchste Berg der Türkei, der Ararat, ein stattlicher Fünftausender, auf dessen Spitze zu biblischen Zeiten die Arche Noah hängen geblieben sein soll.
    Etwas weniger als drei Stunden dauerte ein Flug von Hannover nach Istanbul. Keine weite Strecke, und doch wartetedort ein Land, das jenseits der Touristenziele fremder erschien als viele Orte, die mehr als doppelt so weit entfernt lagen.
    »Frau   …« Die Anwaltsgehilfin schaute zum Zettel, auf den sie sich vor dreißig Minuten Wenckes Namen notiert hatte. »…   Tydmers?«
    »Ja?« Na endlich. Natürlich hatte Wencke nicht damit gerechnet, dass die Juristin Zeit hatte, sie gleich zu empfangen, aber viel länger hätte sie nicht mehr warten wollen. Es war schon fast fünf. Bis sechs konnte Emil in der Schulsporthalle bleiben. Die Zeit rannte.
    »Es tut mir leid, Frau Yıldırım kommt heute nicht mehr in die Kanzlei.« Wencke wollte gerade Luft holen und etwas über dreißig verlorene Minuten sagen und dass man doch schon eher hätte Bescheid geben können, da hielt ihr Papatya das Telefon entgegen. »Aber sie will sich mit Ihnen verabreden. Unbedingt!«
    Die Anwältin begann zu reden, sobald Wencke den Hörer ans Ohr schob, als hätte sie es von irgendwoher beobachten können. »Entschuldigen Sie, dass man Sie warten ließ, aber ich war bis eben bei Herrn Mêrdîn, und wie Sie wissen, muss man die Handys beim Portier abgeben, wenn man eines dieser speziellen Gasthäuser betritt   …« Wie schön, Kutgün Yıldırım hatte Humor, den musste sie gestern irgendwo versteckt haben. »Ich bin froh, dass Sie sich bei mir gemeldet haben, Frau Tydmers. Wir sollten uns treffen, am liebsten gleich. Geht das?«
    »Wenn wir bis sechs Uhr am Maschsee sein können, ja. Ich muss meinen Sohn pünktlich abholen.«
    »Internationale Schule?«
    »Richtig, er ist jetzt noch beim Turnen, doch danach wird er nur ungern warten.«
    Sie verabredeten sich an der Haltestelle Aegidientorplatz, die war von der Kanzlei aus zu Fuß zu erreichen und KutgünYıldırım wollte ihr bei der Gelegenheit noch etwas zeigen. Nach dem unerfreulichen Tag heute schien es für Wencke endlich rund zu laufen. Zumindest in diesem klitzekleinen Augenblick.
    Sie bedankte sich bei der Anwaltsgehilfin und stieg in den Fahrstuhl. Die Kanzlei war im Obergeschoss eines stattlichen Bürohauses in Innenstadtlage untergebracht. Es ließ sich anscheinend gut verdienen mit dem Spezialgebiet, das Wencke und Kutgün Yıldırım gerade verband.
    Draußen lag trockene Stadtluft zwischen den Schaufensterfronten. Auf dem Rand eines Brunnens, der aus verschieden großen, grün patinierten Blättern bestand, aber trotzdem nicht im Geringsten künstlerisch wirkte, hockte eine Gruppe Obdachloser im Schatten und schaute zwei Hunden beim Herumtollen zu. Vor einem schnieken Modehaus spielte ein Bettelkind Mundharmonika. Die zwei Männer, südländisch, wahrscheinlich Türken, bemerkte Wencke erst, als sie in genau dem Moment aufbrachen und auffällig unauffällig im gleichbleibenden Abstand hinter ihr liefen. Es konnte Zufall sein, redete Wencke sich ein. Außerdem war es politisch unkorrekt, sich von den beiden verfolgt zu fühlen, bloß weil sie so »undeutsch« aussahen. Dennoch, als sie stehen blieb, um die Auslagen eines Hörgeräteladens ausgiebig zu studieren, legten die Kerle ebenfalls eine Pause ein und zündeten sich Zigaretten an.
    Wencke wurde ein bisschen schneller und schaute auf die Uhr. Ihr Magen knurrte unüberhörbar. Ein Abstecher zur Markthalle wäre von hier aus ein kurzer

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