Todesbraut
Umnweg, doch es blieb Zeit für eine Pizza auf die Hand, zugleich … wäre es ein guter Test, ob die Männer sie tatsächlich verfolgten oder Wencke sich das alles nur einbildete.
Im »Bauch von Hannover«, so wurde die Markthalle von Einheimischen genannt, mischte sich das Italienische mit denGerüchen dieser Welt, Knoblauch mit Kräuterbonbon, Kohleintopf mit heißer Schokolade. Drinnen war es angenehm kühl im Vergleich zur Spätsommerhitze draußen, was nicht wenige Menschen zu schätzen schienen. Vor den Markttresen drängten sich die Kunden so dicht, dass man die Auslagen in den Vitrinen kaum erkennen konnte, fast alle Stehtische waren belegt. Stimmengewirr, Lachen und Geschirrgeklapper sammelten sich als Geräuschwolke unter den hohen Deckenstützen. Bei
Da Enzo
herrschte tatsächlich ein Hauch von Dolce Vita. Weißweingläser, an deren Rand sich kühle Tropfen sammelten, sahen verlockend aus und Wencke wünschte sich die Ruhe und Gelassenheit, mit der die anderen hier herumstehen und den Feierabend begrüßen konnten. Offiziell war auch ihr Arbeitstag zu Ende gewesen, als sie das Büro von Tilda Kosian verlassen hatte. Was sie jetzt tat, geschah ohne Auftrag, sogar ohne Genehmigung, sozusagen auf eigene Faust. Warum beschwerte sie sich?
Apropos Faust: Wenckes Hand ballte sich, als die Verfolger – ja, jetzt konnte man sie so nennen – tatsächlich eine halbe Minute später durch die Glastür traten. Wencke hatte sich so am Pizzastand postiert, dass sie den Haupteingang im Visier behielt, sich bei Bedarf jedoch schnell hinter eine Pyramide aus Pestogläsern bücken konnte. Die Männer kamen Wencke in keiner Weise bekannt vor. Der eine war etwas älter als Wencke, so knapp über vierzig, er schien nicht besonders fit zu sein, hatte Brille, Bauch und Dreitagebart. Der andere wirkte wesentlich jünger und trug einen Ausdruck im Gesicht, als ginge es um eine verdammt wichtige Sache. Es würde Wencke nicht wundern, wenn sich in einer seiner zahlreichen ausgebeulten Hosen- und Jackentaschen ein Springmesser befinden würde. Die Männer schauten sich um, sprachen kurz miteinander, dann liefen sie in verschiedene Richtungen. Es gab in der Längsrichtung drei Gänge, zwei davon waren breit, derhintere so schmal, dass es schwer werden würde, sich im Gedränge unauffällig und schnell vorwärtszubewegen.
Endlich reichte der blonde Pizzabäcker eine der quadratischen Schnitten, die er zum Aufwärmen noch kurz in den Miniofen geschoben hatte. Wencke hatte das passende Geld bereits ins Schälchen gelegt. Ihr war der Appetit vergangen, doch mit dem Stück Pizza auf dem Pappteller glaubte sie sich besser tarnen zu können.
Die Kerle entschieden sich für die geräumigen Gänge, also schlich Wencke durch die Menge in den hinteren Teil der Markthalle, vorbei an Fischbuden, Belgischen Kartoffelspezialitäten, Saftbars und Coffee-to-go-Shops. Sie musste an das andere Ende der Halle gelangen. Sobald sie dort den Ausgang erreichte, ohne entdeckt worden zu sein, würde sie einen gewaltigen Vorsprung haben.
Wie ein Blitz traf sie plötzlich der Blick des Älteren, der gut zwanzig Meter weiter stehen geblieben war. Kein Zweifel, er schaute sie anders an, als man eine von vielen Pizza essenden Frauen anschaute. Er hatte sie erkannt, machte einen hektischen Schritt nach vorn und versuchte vergeblich, dabei wahnsinnig gelassen auszusehen.
Ein echtes Spitzentalent in Sachen Beschattung. Warum blieb Wencke nicht stehen, ließ ihn an sich herankommen, und sobald er nah genug war, sprach sie ihn einfach an? Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Könnten Sie mir mal sagen, warum Sie sich an meine Fersen heften? Seine unprofessionelle Verfolgungstaktik ließ ihn nicht gerade bedrohlich erscheinen. Doch wahrscheinlich war es besser, ihn im Glauben zu lassen, seine Methode hätte Erfolg. Allem Anschein nach wollten er und sein Kollege sie lediglich im Auge behalten. Irgendjemand musste neugierig darauf sein, was Wencke Tydmers, die LK A-Frau ohne besonderen Auftrag, nach Feierabend anstellte. Und dieser Jemand hatte dazu nicht gerade zwei Tarnkappenträgerengagiert. Wenn sie herausfinden wollte, wer oder was dahintersteckte, musste Wencke sich zum Schein auf das Spiel einlassen. Wahrscheinlich würden ihre neuen Schatten ohnehin öfter auftauchen, als ihr lieb war, doch beim Treffen mit der Anwältin wollte sie sie nun wirklich nicht dabeihaben. Also musste sie sie abhängen.
Sie gab sich gelassen, biss in ihre Pizza, verbrannte sich
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