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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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trauern anders. In Deutschland ist es üblich, dass die Menschen, die einen nahen Angehörigen verloren haben, sich zurückziehen und in Ruhe gelassen werden. Bei uns geschieht genau das Gegenteil: Alle finden zusammen, reden und weinen miteinander. Und wenn nicht gerade Ramadan ist, so wie jetzt, dann wird auch gegessen und getrunken.«
    »Fällt das bei Ehrenmorden nicht aus?«
    »Die Familie Talabani ist anders gestrickt als die der Mêrdîns. Als Shirin damals mit ihrer Tochter verunglückte, war Moah fassungslos und hat sich auch offiziell gegen diese barbarische Sitte ausgesprochen. Nicht nur, weil seine Tochter Roza als Unschuldige das Schlimmste abgekriegt hat, sondern auch, weil er die Gewalt gegen seine Exfrau verabscheute.«
    »Ich dachte, er wäre ein Tyrann!«
    Yıldırım blickte sie verwundert an. »Wer hat Ihnen das denn erzählt?«
    Peer Wasmuth, wollte Wencke antworten, obwohl sie gar nicht genau wusste, ob das stimmte oder ob sie selbst auf das Klischee der dominanten Zwangsehemänner zurückgegriffen hatte. Doch dann stockte ihr der Atem, denn die Tür zum Wohnbereich öffnete sich und zum Vorschein kam der Mann mit Brille und Bartstoppeln, vor dem sie wenige Minuten zuvor geflüchtet war. Es kostete sie einige Mühe, ein unverbindliches Gesicht zur Schau zu tragen. »Wer ist das?«
    »Moah Talabani.« Yıldırım senkte ihre Stimme. »Vergessen Sie das Bild, das Sie sich aus welchen Gründen auch immerbislang von ihm gemacht haben, er ist ein freundlicher Mensch. Ein gottesfürchtiger Muslim, aber kein Radikaler. Vielleicht mit etwas unzeitgemäßen Ansichten über die Rolle der Frau, aber das kann man ihm nicht übel nehmen. Er hat die meiste Zeit seines Lebens in Südostanatolien verbracht, und da werden keine Fragen nach Gleichberechtigung oder weiblicher Selbstbestimmung gestellt. Dafür ist er erstaunlich aufgeschlossen, finde ich.«
    Die Ladentür wurde von zitternden Händen geöffnet. Das Begrüßungslächeln wirkte, als würde ihm jemand eine Waffe in den Rücken drücken. »Hûn bi xêr hatin ne!« Dann traute Moah Talabani sich endlich, auch Wencke anzuschauen. »Willkommen! Treten Sie doch ein!«
    Warum hatte Shirins Exmann sie beschattet? Wencke konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen, und das trug wesentlich dazu bei, dass sie sich in diesem Moment alles andere als wohl in ihrer Haut fühlte.
    Kutgün Yıldırım sprach ein paar kurdische Sätze, aus denen Wencke so etwas wie Beileidsbekundungen herauszuhören glaubte. Eine ältere Frau mit verweinten Augen kam ebenfalls in den Laden, trug ein Tablett mit Süßgebäck in der Hand, das sie den Neuankömmlingen fast unter die Nase hielt.
    »Was ist mit dem Ramadan?«, fragte Wencke etwas hilflos.
    Yıldırım lächelte. »Man sieht Ihnen an, dass Sie keine Muslima sind. Und da die Talabanis eine tolerante Familie sind, bieten Sie Ihnen selbstverständlich etwas an, auch wenn sie selbst bis zum Abendgebet warten müssen.«
    Wencke lehnte mit einem Kopfschütteln ab, sie war nicht im Geringsten hungrig. Direkt hinter ihr stellten sich zwei Halbstarke in die Tür und redeten miteinander, ob deutsch oder kurdisch konnte man nicht verstehen, denn das Gemurmel und Heulen aus dem Hinterraum übertönte sie.
    Auf den ersten Blick mochte man das Ganze für ein freundlichesEmpfangskommando halten, ein Familientreffen nach unbekannten Traditionen, doch auf den zweiten Blick wirkte es mehr als befremdlich. Fast wie ein Ablenkungsmanöver.
    »Was erwarten die von mir?«, flüsterte Wencke der Anwältin zu.
    »Gar nichts! Bei den Kurden ist Gastfreundschaft so etwas wie eine Pflicht, die man als ehrenhafter Muslim zu erfüllen hat.« Während sie sprach, streifte sie ihre Schuhe von den Füßen. Es sah ganz danach aus, als seien bereits mehr als ein Dutzend Besucher angekommen. Halbschuhe, Pumps, Kindersandalen standen in dichten Reihen an der Wand. Ob auch das Schuhwerk von Roza und Azad darunter war? Wencke zog ihre Turnschuhe aus, obwohl sie das Gefühl nicht loswurde, es sei besser, möglichst schnell von hier weglaufen zu können. »Gibt es nur diesen einen Eingang?«, fragte sie leise.
    »Was ist los? Machen wir Ihnen Angst?«
    »Nein, es ist nur   …« Sie konnte es nicht benennen.
    »
Baklava!
«, sagte die Frau. »Süß! Bitte?« Das Tablett wurde ihr nun fast in die Rippen gestoßen, zögerlich griff Wencke nach einem der klebrigen Gebäckstücke, die in der Mitte eine Nussfüllung hatten, in Honig schwammen und

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