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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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aussahen, als ersetze ihr Nährwert eine komplette Mahlzeit.
    Kutgün Yıldırım machte ein paar Schritte auf die Tür zu, keineswegs forsch, sie schien ohnehin alles andere als aufgeregt zu sein, doch Wencke entging nicht, dass im selben Moment zwei weitere Personen dazutraten, um den Durchgang zu versperren. Moah Talabani begann zu reden, laut, durchdringend, lebhaft gestikulierend, auf Kurdisch.
    »Ja, Armanc hat gesagt, dass er es war«, antwortete die Anwältin und Wencke wusste, sie wechselte ihr zuliebe ins Deutsche.
    »Er hat noch mehr Blut vergossen. Unsere Familie steht in einem See aus Trauer. In meinen Tränen Armanc soll ertrinken.«Die theatralischen Sätze klangen mehr nach einem Lied als nach einem Fluch. Schon immer war Wencke die bildhafte Sprache einiger fremder Kulturen fast unangenehm gewesen, auch wenn sie wusste, dass Türken und Kurden ihre Gefühle ganz anders zum Ausdruck brachten. Süß und klebrig wie
Baklava
. Die Emotionen der Deutschen wirkten dagegen wie ein Brötchen vom Vortag.
    Talabani heulte. »Meine armen Kinder, ihre Herzen haben verloren die Mutter für immer.«
    »Wie geht es den beiden?«, fragte Wencke. »Ich würde Roza und Azad gern ein paar Fragen stellen, wenn Sie erlauben.«
    »Sind Sie Polizei?« Talabani machte große Augen.
    Das weißt du doch ganz genau, dachte Wencke, rein zufällig und ganz ohne Grund wirst du mir eben nicht hinterherspioniert haben. Doch sie sprach es nicht aus, brauchte sie auch nicht, denn Yıldırım sprang für sie in die Bresche.
    »Frau Tydmers ist eine Expertin für unser Problem.«
    Der schlichte Satz schien Wencke alles andere als angemessen, doch ihr Gastgeber begnügte sich damit. Es war nicht zu übersehen, dass die Anwältin seinen Respekt genoss, doch auch nicht, dass ihn ihre Gegenwart ziemlich aufregte. Dauernd lief Talabani um einen Nähmaschinentisch, sammelte sinnlos kleine Stoffschnipsel vom Boden, als sei genau dieser Moment der richtige, mal wieder aufzuräumen. In seiner Hektik stieß er der Frau, die anscheinend seine verwitwete Schwester war, das Tablett aus der Hand, Nuss- und Gebäckkrümel verteilten sich auf dem Linoleum.
    »Kann ich mit Ihren Kindern sprechen?«, bohrte Wencke nach.
    Hinter ihnen ging mit einem Ruck die Ladentür auf. Wencke war nur mäßig verwundert, als sich der jüngere ihrer Verfolger dort breitmachte. Seine Kaumuskeln bewegten sich, als erseine Verbissenheit zur Schau stellte. Die Luft stand unter Hochspannung, und die kleinste Bewegung konnte Funken schlagen, befürchtete Wencke. Auch Kutgün Yıldırım legte ihr vertrauenerweckendes Lächeln ab. Hektisch schaute sie von Talabani zu Wencke, und ihr Kopftuch verrutschte leicht.
    »Roza und Azad sind nicht hier«, antwortete Talabani endlich, und es klang wie ein Übungssatz aus dem Deutschkurs.
    »In der Schule haben die Kinder den Lehrern gesagt, sie würden zu Ihnen gehen   …«
    »Sie sind nicht hier!«
    »Wo sind sie dann?«
    »Jedenfalls nicht hier   …« Talabani schaute Wencke direkt an. Ohne ein Lächeln und ohne jeglichen Groll. Selten hatte Wencke in so schwarze Augen geschaut, zu unergründlich, um darin irgendetwas zu erkennen. Beunruhigt wegen des Verbleibens seiner Kinder schien Talabani jedenfalls nicht zu sein.
    Gerade das fand Wencke alarmierend. »Darf ich mal nachschauen?«, fragte sie und überging die Antwort, von der sie ohnehin wusste, wie sie lauten würde. Die drei Schritte zur Hintertür waren schnell, die Griffe, mit denen sie die dort postierten Jungen auseinanderdrängte, gekonnt, sie schob sich durch die glitzernden Schnüre des Vorhangs. Dann blieben nur wenige Sekunden. Der Raum, in den sie stürzte, war nur von einigen Kerzen spärlich beleuchtet und so voller Menschen, dass man von den Einrichtungsgegenständen nicht viel sehen konnte. Wie in einem Zelt saß die Trauergemeinde zusammen, es roch nach orientalischen Gewürzen und Schweiß. Die Frauen, allesamt verschleiert und in einer separaten Ecke versammelt, schrien kurz auf, als wären sie bei etwas Unsittlichem ertappt worden. Die Stimmen der Männer schwollen zu einem Donnerwetter. Eine Kerze auf dem Ecktisch fiel um, als einer der Erwachsenen sich erhob. Wencke spürte schon feste Arme an ihren Ellenbogen, die sie mehr als unsanft zurückzogen.Im Augenwinkel entdeckte sie die zugezogene Gardine, der rote Stoff hatte sich auf der Fensterbank verfangen und ein Zipfel hing nach draußen. Es war nicht zu übersehen, dass vor Kurzem jemand hektisch das

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