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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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denkt mit dem Kopf. Und ich mit dem Bauch.«
    Das schien überzeugend zu sein, Yıldırım notierte sich gleich ein paar Stichworte. »Gut, ich versuche, eine Genehmigung für Sie beide zu bekommen.« Sie klappte die Akte der Rechtsmedizin gerade zu, als ihr noch etwas einfiel. »Ich hätte das Wichtigste fast vergessen, Frau Tydmers.« Yıldırıms lackierter Fingernagel tippte auf einen Absatz am Ende des Gutachtens. »Shirin Talabani war schwanger. Im fünften Monat.«
    »Was? Von wem?«
    »Es stand kein Absender auf dem Fötus.« Ein solcher Sarkasmus war ungewöhnlich für die Frau, die sich stets so kontrolliert und sachlich gab, und sie schien sich tatsächlich für ihren verbalen Ausrutscher zu schämen, denn sie schob verlegen einige Papiere zusammen. »Im Ernst, Shirin Talabani hatte, soweit ich informiert bin, einige gute Bekannte, die dafür in Frage kämen. Sie war eine emanzipierte Frau, in jeder Hinsicht   …«
    »Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Bitte, Frau Tydmers, hören Sie auf, dieser Frau einen Heiligenschein aufzusetzen, nur weil sie zum Opfer geworden ist. Damit werden Sie nicht weit kommen.«
    »Ein bisschen klingt das so, als würden auch Sie Shirin Talabani vorwerfen, dass sie sich für ein freies Leben entschieden hat.«
    »Ich sehe es nur, wie es ist«, entgegnete die Anwältin trocken. »Sie hat keinen Pfifferling auf die Familienehre gegeben. Es war ihr egal, wenn sie andere mit ihrem Verhalten verletzt hat. Sie hat provoziert, ohne Rücksicht auf Verluste.«
    Wencke war fassungslos. »Denken Sie, Shirin Talabani ist selbst schuld an ihrem Tod?«
    »Was ich denke, tut hier nichts zur Sache. Ich bin Anwältin und überzeugt, dass mein Mandant zumindest keine Schuld trägt. Das ist alles, was für mich zählt.« Ein demonstrativer Blick auf die Uhr signalisierte das Ende des Gesprächs. »DieSchwangerschaft könnte natürlich ein ganz neues Motiv für den Mord sein, was sich entlastend auf Herrn Mêrdîn auswirken würde. Doch ich habe heute Vormittag zwei Verhandlungen im Landgericht und kann diese Sache beim besten Willen nicht verfolgen. Aber vielleicht fällt Ihnen ja etwas ein   …«
    Wencke musste nicht lange nachdenken, ihr fiel etwas ein.
    Peer Wasmuth fiel ihr ein.

… weiches   …
    Nicht Nein sagen können. Nicht fordern können. Nicht hart bleiben können.
    Kein Mann sein.
    Stattdessen lieben und schwärmen und singen und helfen.
    Nur will niemand einen solchen Mann.
    Dann bleibt er übrig. Sonderposten. Grabbeltisch. Im Prinzip reicht es aus, nur eine einzige Schulter zu sein, mehr nicht, ohne Anhang, eine Schulter, an der eine verzweifelte Frau sich ausheulen kann.
    Kein Mund, der sich an einem anderen festsaugen darf. Keine Hände, die sich in weiche Haut krallen wollen. Kein Schwanz, verdammt, auf keinen Fall.
    Der Entschluss, sich für den Bundespreis für Migrationsarbeit zu bewerben, hat nicht unbedingt etwas mit politischem Interesse zu tun. Auch nicht mit selbstlosem Engagement für eine wichtige Sache. In erster Linie ist es ein Versuch, sich selbst zu einem neuen Image zu verhelfen. Jemand anders zu sein als beispielsweise der engagierte Pädagoge.
    Zwei Vereinsflyer zeigen einen Mann Mitte vierzig, dem die Blässe aus dem Gesicht geschminkt wurde, faseriger Seitenscheitel, Cordsakko und Lesebrille. Der Schriftzug ist in leicht lesbaren Lettern gehalten, hellgrün, das soll laut Designer frisch wirken.
    Der Spruch macht sich quer über dem Brustkorb breit. Es gibt zwei verschiedene.
    Erstens:
CIFN – Ein Verein, der das Gespräch sucht.
    Zweitens:
CIFN – Ein Verein, der die Gemeinschaft kennt.
    Beide Male sind im Hintergrund, eher farblos gehalten,fröhliche Menschen abgebildet. Es sind Blonde und Dunkelhaarige, soweit man es erkennen kann, denn die Frauen tragen größtenteils Kopftuch. Die Menschen schauen in die Kamera. Das wirkt, als hätten sie Vertrauen in den Menschen im Vordergrund.
    Die Bewerbungsmappe ist in ähnlichem Design gehalten. Dreißig Seiten über die Arbeit, die er seit Jahren verrichtet. Auf dem Titelblatt propagiert die Überschrift:

Der bunte Dialog in Wunstorf – wir haben den Preis verdient‹.
    Doch kein Verein hat je eine Auszeichnung aufgrund einer gelungenen Flyersammlung gewonnen. Es kommt immer darauf an, ob man den Vorsitzenden ernst nimmt, ihn achtet. Und da ist es besser, der Vorsitzende hat eine Frau an der Seite. Auf Empfängen werden dann immer zwei Plätze reserviert, und niemand spekuliert, ob man vielleicht

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