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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Frosch im Hals, sondern etwas Dringendes auf der Zunge. Er beugte sich zu Wenckes Ohr. »Bist du verrückt? Du kannst ihm doch nicht alle Details verraten. Er ist dringend tatverdächtig. Wenn rauskommt, wie du der Verteidigung zuarbeitest, bist du deinen Job los!« Sein Flüstern klang so aufgeregt, dass Mêrdîn aufhorchte.
    »Wer ist dieser Kerl eigentlich?«, wollte er von seiner Anwältin wissen.
    »Er arbeitet mit Frau Tydmers zusammen«, verschleierte Yıldırım die Wahrheit.
    Wencke ließ sich nicht beeindrucken von Axels Sorge. »Man geht im Allgemeinen davon aus, dass ein Mörder, der zuvor sein Opfer betäubt, zwei Motive haben kann. Entweder hat er Mitleid und will bei der Tötung Schmerzen verhindern   …«
    Aufgeregt erhob Mêrdîn sich von seinem Platz. »Ja, genau das wollte ich! Ich habe meine Schwester doch geliebt, habe ich immer gesagt! Sie sollte nicht leiden!« Der Vollzugsbeamte drückte ihn sanft aber bestimmt auf seinen Stuhl zurück.
    »Aber dazu passt wiederum nicht das langsame, qualvolle und mit großer Todesangst einhergehende Erwürgen mit bloßen Händen«, ergänzte Wencke und der Kurde schien in sich zusammenzusinken. »Die zweite Möglichkeit ist, dass der Mörder freie Hand haben wollte. Er wollte durch das Opiat verhindern, dass Shirin sich gegen seinen Angriff wehrt.«
    »Und aus welchem Grund?«, fragte Yıldırım, die Wenckes Ausführungen fasziniert lauschte und sich so viele Notizen gemacht hatte, dass das erste Blatt ihres Notizblocks bereits vollgeschrieben war.
    »Auch hier gibt es mehrere Deutungen. Es kann ihm um Macht gegangen sein, die er auf das wehrlose Opfer ausübt. Oder er war ihr einfach nicht gewachsen, war schwächer, kleiner oder sonst wie unterlegen.«
    Der U-Häftling sagte nichts mehr, fast beleidigt wandte er sich zur Tür und begann wieder mit dem nervtötenden Fingertrommeln.
    »Sie sehen schon, Herr Mêrdîn, so einfach ist es nicht, sich als Mörder auszugeben, wenn man keiner ist. Was mich nun interessieren würde: Warum machen Sie das? Geht es dabei um
Namus
? Um diese Ehre, die man nur verlieren und bestenfalls wiederherstellen kann? Oder war Shirins Tod letztlich gar kein sogenannter Ehrenmord, sondern etwas ganz anderes? Und Sie wollen es durch Ihr falsches Geständnis nur so aussehen lassen, als ob?«
    Nun verschränkte Mêrdîn die Arme vor der Brust, das Imbiss-Logo auf dem T-Shirt wölbte sich zu einer Falte. »Sie können mir nichts beweisen. Gar nichts!«
    »Und Sie können mir nichts vormachen! Als Sie vorhin dieses Medikament nannten, dieses   …« Wencke wartete ab.
    »
Tramadol
«, half er ihr auf die Sprünge.
    »Genau das wollte ich hören!« Sie stand auf und stellte sich vor ihn. »Woher kennen Sie den Namen von dem Zeug?«
    »Meine Nichte Roza nimmt es seit dem Unfall, wegen der Schmerzen   …«
    »Aber in der Zeit haben Sie doch in Jugendhaft gesessen. Und bis zu Ihrer angeblichen Begegnung gestern sind Sie nicht einmal mit Ihrer Schwester oder deren Kinder in Kontakt getreten, Ihre Bewährungsauflagen haben das strengstens verboten. Woher wussten Sie also, dass es diese Pillen gibt, wo sie stehen, was sie bewirken? Und wie haben Sie sich diesen Namen merken können?
Tramadingsbums
– ich bitte Sie, dieser Begriff rieselt bei mir schon durchs Kurzzeitgedächtnis, kaum dass ich ihn gehört habe. Und Sie wollen ihn sich eingeprägt haben, während Sie damit beschäftigt waren, Ihre Schwester zu töten?« Sie lachte kurz. »Wenn Sie in Hameln Ihre Haftstrafe nicht gerade dazu genutzt haben, Pharmazie zu studieren, nehme ich Ihnen das einfach nicht ab.«
    »Sondern?«
    »Jemand muss Ihnen erzählt haben, wie es passiert ist. Haarklein, mit allen Details. Die Pillen, das Muster der Tücher, der Schlüssel auf dem Türrahmen   …«
    »Und warum?«
    »Damit Sie die Sache auf sich nehmen können. Hätte ja auch klappen können. Wenn Sie nicht das Pech – oder Glück – gehabt hätten, dass eine Psychofrau wie ich sich in die Sache einmischt und anfängt, in Ihren Dickkopf schauen zu wollen. Die Polizei freut sich über schnelle Aufklärung. Ich nicht – ich freue mich mehr über die Wahrheit!«
    Nun machte Armanc Mêrdîn endgültig dicht. Seine zusammengepressten Lippen, die verkniffenen Augen, die beinahe verknoteten Arme und Beine verrieten, dass aus ihm kein Wort mehr herauszukriegen war. Tragisch war das nicht. Wencke war sicher, wenn die rechtsmedizinische Auswertung in den nächsten Tagen bestätigte, dass es am Tatort

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