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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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den Charme des Grand Canyon, nur eben im Miniaturformat und in weniger spektakulärem Beige-Braun des bröckeligen Gesteins.
    »Gottverlassene Gegend«, kommentierte die Taxifrau. »Hab ich noch nie jemanden hinfahren müssen. Aber heute scheint da ja richtig was los zu sein. Ein Kollege musste vorhin auch einen Fahrgast dort abliefern. Hab ich über Funk gehört   …«
    Wencke horchte auf. Da Kutgün Yıldırım mit dem eigenenWagen gekommen war, könnte es sich bei diesem Taxikunden tatsächlich um den seltsamen Informanten handeln. »Das war dann vielleicht ein   … ein Kollege von mir.«
    »Kollege? Dann sind Sie wahrscheinlich auch so eine von dieser Umweltplanungssache, die hier einen Naturpark draus machen wollen   …«
    »Ja, so in der Art«, log Wencke.
    »Naherholungsgebiet, hier, in dieser Pampa   … Kann ich mir nicht so richtig vorstellen.«
    »Könnten Sie den Taxifahrer fragen, ob er noch dort ist?«
    »Kein Problem!« Sie fingerte routiniert am Funkgerät und setzte sich ein modernes Headset auf die stickeligblonde Frisur. »Horst, Iris hier. Sag mal, du hattest doch eben eine Tour zur Lagune. Bist du noch da? Ende.«
    Sie wartete, grinste schief, wahrscheinlich hatte ihr Kollege etwas Anzügliches durch den Kopfhörer geschickt. »Du bist mir einer   …« Wencke interessierte es einen feuchten Dreck, was dieser Horst für einer war, sie wollte nur zu gern wissen, ob er sich noch in der Nähe des Sees aufhielt. Doch die Taxifrau schüttelte den Kopf und wandte sich an Wencke: »Nee, mein Kollege ist schon wieder in der Stadt unterwegs.«
    »Können Sie ihn fragen, wie sein Passagier aussah?«
    »Was ist das denn für eine Frage? Haben Sie ein Blinddate, oder was?«
    »So könnte man es nennen.«
    Taxi-Iris plänkelte weiter über Funk mit ihrem Horst. »Sag mal, war dein Passagier auch so ein attraktiver Typ wie du?« Sie hustete ein Lachen hinterher. »Im Ernst jetzt, kannst du mir sagen, wie er aussah? Hab hier ’ne Frau, die sich mit ihm treffen will.« Sie lauschte wieder, verzog den Mund, riss kurz die Augen auf. »Sicher, Horst?« Dreimaliges Nicken. »Dank dir. Tschüssikowsky und Ende!«
    »Und   …?«
    Das Taxi fuhr auf den Parkplatz eines Baustoffhändlers, der allem Anschein nach nicht mehr geöffnet hatte, denn nur ein weiterer Wagen – wahrscheinlich war das Yıldırıms BMW Cabriolet – stand vor den verschlossenen Türen. »Da sind wir! Macht sieben Euro zwanzig.«
    Wencke kramte das Geld zusammen. »Was hat Ihr Kollege denn nun gesagt?«
    »Ihr neuer Bekannter   … ist sozusagen ein alter Bekannter von uns. Viel Vergnügen bei Ihrem Rendezvous.« Die muffige Ironie war nicht zu überhören.
    »Kennen Sie seinen Namen?«
    »Nee, das nicht. Aber seinen schlechten Ruf. Er   …«, sie musterte Wencke von der Seite, als ob sie abschätzen wollte, wie viel ihrem Fahrgast zuzumuten war. »Na ja, nicht, dass ich ausländerfeindlich bin, habe ja genug Türken und Polen als Kollegen, aber der Kerl ist mir echt eine Nummer zu hart.«
    »Zu hart?«
    »So einer, na ja, den man nicht gerne im Flugzeug neben sich sitzen haben würde. Stechender Blick und so, irgendwie gefährlich   … Genau kann ich Ihnen das nicht erklären.« Sie kurbelte das Fenster runter, zündete sich noch im Sitzen eine Zigarette an, nahm das Geld entgegen, ohne zu zählen, und machte Wencke unmissverständlich klar, dass ihr Geschäftsverhältnis in diesem Moment beendet war.
    Kaum hatte Wencke die Tür hinter sich zu fallen lassen, rauschte Taxi-Iris davon, und hinter ihrem Touran breitete sich eine Staubwolke aus, wie der Regisseur eines zünftigen Roadmovies sie sich nicht eindrucksvoller hätte wünschen können.
    Und tatsächlich fühlte Wencke sich wie im falschen Film, wie in einem dieser alten Winnetou-Streifen, die sie als Kind gemeinsam mit ihrem Bruder geschaut hatte, wahrscheinlich würde sie gleich auf eine Herde Wildpferde stoßen. Die verwaschenenFarben der Abenddämmerung ringsherum, und die Stille kam ihr vor, als habe jemand den Ton abgestellt. Nur ihr galoppierendes Herz und das Blut, das durch Wenckes Ohren rauschte, holten sie wieder in die Realität zurück.
    »Frau Yıldırım?«, rief Wencke. Doch obwohl sie fast schon gebrüllt hatte, verhallten die Worte im Nichts, irgendwo zwischen den Steinen der verlassenen Baustoffhandlung, den aschigen Büschen und der Bahntrasse. Wo war überhaupt dieser See?
    Wencke ging links am Haus vorbei, folgte dem schmalen Weg, der so steinig war,

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