Todesbraut
eine Currywurst vielleicht. Am besten, sie bereitete die Männer schon mal telefonisch auf ihr Kommen vor. Was die beiden wohl gerade machten? Fußball im Garten? Quatschen am Kanalufer? Die Vorfreude blähte sich wie ein Luftballon zwischen Herz und Seele. Doch das Tippen von Axels Handynummer wurde von einem eingehenden Anruf unterbrochen.
»Kutgün Yıldırım!« Die Stimme der Anwältin klang atemlos.
»Ja, ich habe schon gehört, die Spurensicherung hat keinerlei …«
»Ich habe einen Informanten. Brandheiß. Er will sich mit mir treffen. Jetzt, sofort!«
»Einen Informanten? Wer genau …«
»Seinen Namen hat er nicht genannt. Aber er sagt, er weiß, warum Shirins Familie unbedingt meinen Mandanten als Schuldigen darstellen will. Beweise liefert er mir in genau zwanzig Minuten.«
»Wo und wie?«
»Zugegeben, der Ort ist schon etwas skurril – er hat die Blaue Lagune vorgeschlagen. Ein See, der sich in einer alten Mergelgrube gebildet hat, unweit von Misburg. Schönes Fleckchen zum Spazierengehen, menschenleer …«
Wenckes Schritte wurden unwillkürlich langsamer. »Das klingt mehr nach Agententhriller als nach seriöser Zuarbeit.«
Yıldırım schnaufte in den Hörer, sie schien während des Gesprächs eilig unterwegs zu sein. »Ja, das kommt mir auch etwas zwielichtig vor. Andererseits kennt unter den Kurden in Hannover wirklich jeder jeden. Wenn dieser Mann einfach zu mir in die Kanzlei kommt, ist die Gefahr, dass er dabei beobachtet wird, nicht zu unterschätzen. Und dass ihm dann eine Menge Ärger blüht, ist einleuchtend.«
»Glauben Sie denn, er ist ein Landsmann von Mêrdîn?«
»Das weiß ich nicht, der Anrufer sprach lupenreines Deutsch, begrüßt hat er mich aber auf Kurdisch. Das kann im Prinzip alles bedeuten.«
»Vielleicht sollten Sie bis morgen warten, dann kann ich Sie begleiten.«
»Jede Nacht imGefängnis ist für Armanc eine Nacht zu viel. Ich mache mir Sorgen um ihn, das Gespräch vorhin hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. Außerdem kann der Informant es sich bis morgen anders überlegt haben.« Nun machte Yıldırım Geräusche, als steige sie eine Treppe hinauf, ihre Worte holperten ins Telefon.
»Wo sind Sie jetzt?«
»Mein Auto habe ich eben vor einem Firmengebäude abgestellt, bis zum See kommt man nur zu Fuß.« Sie schnaufte. »Neben mir verläuft eine Bahntrasse. Ach, da hinten ist ein Schild. Am Ahltener Weg, wenn ich es richtig entziffern kann.«
»Frau Yıldırım, soll ich kommen?«
»Haben Sie denn einen Wagen?«
»Mein Bekannter hat einen. Warten Sie einfach, wo Sie gerade sind. Ich versuche, so schnell wie möglich bei Ihnen zu sein!«
Nun lachte Yıldırım. »Ich schaffe das auch allein. Bislang konnte mir noch niemand Angst einjagen. Ich wollte Sie einfach nur in Kenntnis setzen, Ihnen aber nicht den Feierabend verderben!«
»Ich könnte mich aber wesentlich besser entspannen, wenn ich Sie in Sicherheit weiß. Den ganzen Tag über wurde ich von seltsamen Gestalten verfolgt, dann hat man versucht, mir das Leben mit einer Suspendierung zu versauen … Glauben Sie, es gibt genügend Gründe, beunruhigt zu sein!«
»Gut, dann geben Sie doch der Polizei Bescheid, dass die in einer guten halben Stunde mal unauffällig hier vorbeischauen soll.«
»Leider nehme ich an, dass die Polizei in der Sache eine unschöne Rolle spielt. Es ist besser, ich komme selbst. Warten Sie bitte auf mich, Frau Yıldırım?«
Sie antwortete nicht direkt, sondern lachte einmal mehr gekonnt sorgenfrei. Wencke hoffte nur, dass diese stolze Anwältin sich an ihre Empfehlung hielt.
Wieder wählte sie Axels Handynummer. Am besten wäre es, wenn er zu dieser Blauen Lagune fahren würde. Eventuell hatte er ja sogar seine Dienstwaffe dabei, für alle Fälle.
Das Besetztzeichen piepte in Wenckes Ohr. Sie versuchte es mit der Festnetznummer, doch weder Axel noch Emil gingenan den Apparat. Vielleicht waren die beiden schon selbst auf die Idee gekommen, sich auf den Weg zum Imbiss zu machen, weil ihre Mägen genauso knurrten wie Wenckes. Zu mehr als einem Croissant am Morgen und einem Müsliriegel zwischendurch hatte es auch heute mal wieder nicht gereicht. Ein weiterer Versuch auf dem Handy, doch Axels Leitung war noch immer belegt. Danach machte der U-Bahn -Schacht jegliches Telefonieren unmöglich.
Wencke hatte keine Ruhe, einen Sitzplatz zu nehmen. Ihr Kopf dröhnte, ihre Zunge war pelzig und sie lechzte nach einem kalten Getränk und irgendetwas Essbarem. Zum Glück
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