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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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war, und musste nun aufpassen, sich nicht in den Stoffbahnen des weißen Kleides zu verfangen.
    Yıldırım schwamm Gott sei Dank mit dem Gesicht nach oben, doch sie wirkte leblos, ihre Arme und Beine bewegten sich schlaff, als wäre sie eine Puppe. Dass sie sich überhaupt noch an der Oberfläche hielt, hatte sie ihrem Kleid zu verdanken, unter dessen dichtem Gewebe sich Luftblasen in verschiedenen Größen gebildet hatten, die ihr Auftrieb verliehen. Auf der Stirn konnte Wencke dünne Rinnsale aus Blut erkennen, sie hoben sich von der wächsernen Haut ab wie Schnüre roter Wolle. Eine Wunde war nicht auszumachen, vielleicht verbarg sich die Verletzung am Hinterkopf, war versteckt vom dichten Haar.
    Atmete sie überhaupt nocht? Das war kaum auszumachen. Doch so reglos, wie sie im Wasser trieb, sah sie aus wie eine Tote. Hatte das Wasser bereits den Weg in die Lungen der Bewusstlosen gefunden? War Wencke zu spät gekommen? Wencke verscheuchte diesen Gedanken aus ihrem Kopf; schließlich bestand immerhin die Möglichkeit, diese kleine, winzige, mikroskopische Möglichkeit, dass sie vielleicht doch noch gerettet werden könnte. Es gab doch immer wieder diese Fälle, in denen man Ertrunkene erfolgreich wiederbelebt hatte. Außerdem war es gar nicht einzusehen, warum ausgerechnet diese Frau sterben sollte: Sie hatte sich allein ihrem Mandanten zuliebe in eine derartige Situation gebracht, sie war so verdammt mutig, um das Leben eines anderen zu retten, dann war es doch jetzt wohl an Wencke, alles für diese Frau zu tun.
    Aber wie? Wencke hatte keine Ahnung, wie sie das schaffen sollte. Ihr Blick war verschwommen, und sie spürte, wie sich ihre Sinne nach und nach aufzulösen schienen, ihr Bewusstsein schwamm davon. Selbst wenn sie die Augen zusammenkniff, war vom Ufer nichts mehr zu erkennen. War es vielleicht nur wenige Schwimmzüge entfernt – oder unerreichbar?
    Es war egal, sie musste es drauf ankommen lassen. Schon in dem Moment, als sie den waghalsigen Sprung gemacht hatte, war ihr bewusst gewesen: Entweder schaffen wir es beide, oder keine von uns.
    Alles, was Wencke über Rettungsschwimmer wusste, hatte sie in den Neunzigerjahren bei ›Bay Watch‹ gesehen. Sie griff Yıldırım um den Unterkiefer, keilte deren Kopf in ihre Armbeuge, legte sich zurück, holte noch einmal tief Luft, und dann schwamm sie los. Zum Glück erforderte das Rückenschwimmen andere Bewegungen als das Kraulen, sie fand noch ein paar Kraftreserven und wusste, zumindest die nächsten zehn Meter würden sie beide an der Oberfläche bleiben. Das war doch schon mal was. Es gab keinen Punkt, den sie hätte fixieren und an dem sie hätte abschätzen können, wie schnell sie überhaupt vorankam. Sie starrte nur nach oben, in diesen wolkenlosen Septemberhimmel, der inzwischen altrosa schimmerte und an dem sich kein Flugzeug, kein Vogel, noch nicht einmal irgendeine blöde Mücke zeigte. Alle ließen sie allein. Und sie spürte, wie ihre Kraft schwand.
    Der Frauenkörper in ihrem Arm wurde immer schwerer, und langsam stieg die Wut in Wencke auf: »Verdammt, mach doch mal mit, du Walross, warum hilfst du denn nicht mit?«, hätte sie am liebsten geschrien, aber selbst dafür fehlte ihr die Kraft. Und plötzlich war da dieser Gedanke: Was, wenn sie den Griff einfach löste, es wäre so leicht, so einfach. Und doch war es – unmöglich. Also weiter. Atmen und schaufeln, atmen und schaufeln. Irgendwann ging es wie von selbst, der Schmerz der Anstrengung machte sie zwar lethargisch, aber sie funktionierte. Atmen und schaufeln.
    Als ihre Schultern plötzlich unsanft gegen eine scharfe Kante stießen und sich felsige Splitter in ihren Rücken bohrten, konnte Wencke es kaum fassen: Sie hatte es geschafft! Das Ufer war höher als der Rand eines Pools, aber die Aussicht auf festenBoden, auf Ausruhen und Kraft schöpfen, verschaffte Wencke noch ein klein wenig Energie. Sie wuchtete sich nach oben, zog Yıldırım im Wasser noch ein Stück weiter, bis ihr ein paar holprige Steinstufen erlaubten, die Leblose an Land zu ziehen.
    Mechanisch begann Wencke mit der Mund-zu-Nase-Beatmung, immer wieder, und als ihre Finger einen flachen Puls am kalten Handgelenk ertasteten, hätte sie gejubelt, wenn sie nicht zu erschöpft gewesen wäre. Sie konzentrierte sich darauf, ihren Atem zu spenden, immer wieder, immer wieder, die Zeit schien sich ins Endlose zu dehnen. Aber es war doch sowieso alles egal. Ihr Handy klemmte in der verdammten Felsspalte. Kein Mensch war zu

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