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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sehen. Außer der Taxifahrerin wusste niemand, dass sie überhaupt hier war. Die Sonne verschwand in diesem Augenblick hinter den Hängen des Mergelbruchs.
    Es war egal. Irgendwann würde man sich Sorgen machen um sie. Oder um Yıldırım.
    Oder der Zufall käme zu Hilfe. Ein Wanderer vielleicht   … irgendwann   …
    Bis dahin atmete sie einfach ein und aus. Ein und aus.

… Lass   …
    Der Mann, der die Mülleimer leert, ist ein Türke. Die Unterschrift auf dem Toilettenreinigungsplan verrät einen kurdischen Namen. In der Schlange vor dem Check-in stehen mehr dunkelhaarige Menschen als blonde. Sie geben keine schnieken Koffer auf, sondern Pappkartons, Tüten und mit Klebeband verschnürte Sofadecken. Es gibt Streit, weil eine Frau ihren Küchenhäcksler nicht im Handgepäck transportieren darf. Fünf Männer mischen sich ein, es wird laut am Schalter.
    Da fallen die beiden Kinder nicht auf.
    Der Junge sitzt im Buggy, obwohl er eigentlich schon zu groß dafür ist, aber er wirkt müde, fast apathisch, viel zu schwach zum Laufen. Er lässt alles mit sich machen. Seine blauen Augen schauen sich, wenn er sie mal für wenige Sekunden offen hält, in den riesigen Hallen um, furchtsam, fast verschreckt. Die Augen des Mädchens starren auf den Boden. Sie blickt nur selten geradeaus. Heute schon gar nicht.
    Aber man hat ihr gesagt, wann sie wohin gehen muss. Keine Minute zu früh. Sie hat einige tausend Schritte zurückzulegen, um den passenden Flugsteig zu finden. Vorbei an Duty-free-Shops, wartenden Passagieren und Kaffeestationen. Die großen Flugzeuge sieht man nur manchmal. Sie landen und starten hinter dem dicken Glas. Das Licht der Bahnen blinkt in der Dunkelheit. Menschen nehmen ihr Handgepäck. Bunte Reisetaschen, praktische Rücksäcke, teure Etuis, lederne Aktenkoffer, Plastiktüten.
    Die Kinder haben gar nichts in der Hand. Über dem Schalter blinkt es schon. Das Boarding hat bereits begonnen. Letzter Aufruf.
    »Die Passagiere Roza und Azad Talabani bitte umgehend zum Flugsteig 17, letzter Aufruf, die Passagiere Roza und Azad Talabani   …«
    Die Stewardess begrüßt sie mit einem Lächeln. »Der Buggy muss jetzt aber hierbleiben, den könnt ihr nicht mit an Bord nehmen. Bei der Ankunft bekommt ihr ihn zurück.«
    Sie streichelt dem Jungen über den dunklen Scheitel. Es könnte sein, dass sie das große Mädchen für seine Mutter hält. Der Samtschleier verdeckt alle Jugendlichkeit, und die Narben haben die Haut alterslos werden lassen. Der Blick in den Pass ist nur oberflächlich.
    Beim Kauf der Flugtickets war die Sorge, dass etwas nicht klappt, größer gewesen, obwohl da der Onkel noch dabei war und alles geregelt hat.
    »Kann der Kleine das kurze Stück laufen?«, fragt die hübsche Flugbegleiterin nun.
    Wortlos nimmt das Mädchen den Jungen auf den Arm. So schwer ist er nicht.
    Die Schläfrigkeit des Jungen kommentiert die Stewardess mit einem Lächeln ihrer rot geschminkten Lippen: »Ja, es ist schon spät. Ich bringe dir gleich ein paar Kissen, dann kannst du dich ausschlafen, bis wir in Istanbul sind.«
    »Istanbul?«, fragt der Junge und weint. »Ich will da nicht hin!«
    Jetzt stutzt die Flugbegleiterin und schaut fragend das große Mädchen an.
    »Er feiert in Istanbul seine
Sünnet
…«, sagt Roza.
    »Ach so«, lacht die Stewardess wieder. »Dann kann ich verstehen, dass du nicht so gern nach Istanbul willst. Aber hab keine Angst, kleiner Mann, es ist nicht so schlimm, wie alle erzählen. Ein kleiner Schnitt, und danach gibt es ein großes Fest nur für dich allein!«
    Sie händigt die Bordkarten aus. »Mein kleiner Bruder hatteauch Angst vor der Beschneidung, und hinterher war er der stolzeste Junge weit und breit.«
    Die Kinder laufen durch den grauen Schlauch bis zum Bauch des Flugzeugs.
    »Viel Spaß auf dem Zuckerfest!«, ruft die Stewardess noch hinterher.

12.
    Es war reiner Zufall gewesen.
    Doch die Rettung war nicht in Gestalt eines Wanderers dahergekommen, sondern in Form von Taxi-Iris. Die hatte sich wohl auf der Rückfahrt noch einmal über Funk mit Horst unterhalten, und der erzählte ihr dann von den zitternden Händen seines Fahrgastes. Die Blondierte konnte sich wohl keinen Reim darauf machen, warum eine Frau wie Wencke sich mit diesem hochgradig nervösen Ausländer traf, der offensichtlich etwas im Schilde führte. Und dieser stechende Blick! Ob nun Sorge oder Neugierde sie getrieben hatte, war nicht ganz klar, aber irgendein Impuls hatte sie umkehren lassen, und aus der

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