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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kuvert in der Hand, es war aus einem der Hochzeitszeitungen gerutscht und in etwas unbeholfenen Druckbuchstaben adressiert an Moah Talabani, abgestempelt in der Türkei. Die Zeilen im Inneren waren jedoch in einer für sie unverständlichen Sprache verfasst. »Der wird nicht zufällig hier zwischen den Brautkleidern stecken. Ich wette, das ist ein Brief vom Bräutigam. Würde mich interessieren, was er so schreibt.«
    »Gib mal her!« Axel gähnte. Man sah ihm an, dass er inzwischen mehr als müde war, blass und mit hängenden Schultern versuchte er, dem Schreiben irgendeinen Sinn abzuringen – aber natürlich konnte auch er es nicht entziffern. »Wencke, es sieht nicht so aus, als ob wir hier weiterkämen. Besser, wir hauen ab, bevor uns doch noch jemand erwischt. Wir hatten bisher mehr Glück als Verstand.«
    Es fiel Wencke schwer, ihm recht zu geben. Sie konnten doch nicht aufgeben! Sie war so sicher gewesen, dass die Familie Talabani etwas mit Emils Verschwinden zu tun hatte. Und nun stand sie mitten in der Nacht in einer fremden verlassenen Wohnung und musste sich eingestehen, dass sie nichts, aber auch gar nichts gefunden hatte, was sie ihrem Sohn auch nur ein kleines Stück nähergebracht hätte.
    Doch solange ihr Einbruch hier unentdeckt blieb, hatten sie wenigstens nicht das Problem, die Katastrophe noch um juristischen Ärger anzureichern. »Ich werde mir im Bad ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht werfen, dann können wir meinetwegen aufbrechen.«
    Sie wagte den Slalom durch das Wohnzimmer, Kerzenwachs tropfte ihr auf die Hand, ließ sie kurz fluchen. Im Bad entschied sie sich, die Deckenleuchte anzuknipsen, schließlich war der Raum fensterlos und niemand würde die Helligkeit bemerken. Die Kühle des Wassers tat gut, der Blick in den Spiegel weniger, sie rieb ihre Wangen. Wenn sie Axel eben noch die Müdigkeit angesehen hatte, von ihrem Aussehen war sie schockiert: Dunkle Ränder unter geröteten Augen, die Schürfwunden an den Händen stammten von ihrem Einsatz in der Blauen Lagune. Sie sah aus, als wäre sie geradewegs durch die Hölle marschiert. Und war sie das nicht tatsächlich?
    Sie wischte sich das Gesicht am Uniformärmel trocken, fuhr sich noch einmal mit feuchten Fingern durch das rote Haar, dann hielt sie inne: In der Badewanne zeichneten sich seltsam dunkle Flecken auf der weißen Keramik ab. Wie nachlässig gewischte Schmutzrückstände. Aber wer war denn so schmutzig, dass er die halbe Badewanne versaute? Sie beugte sich herunter, der Geruch kam ihr bekannt vor, chemisch, irgendwie nach Salmiak. Sie fuhr herum, lief zum kleinen Mülleimer, klappte den Deckel hoch. Ein Plastikschälchen, verschmierte Handschuhe, ein Pinsel, eine Flasche, eine Tube und der zerknüllte Zettel, aus dem Skizzen von Frauenköpfen zu erkennen waren: Hier hatte sich vor Kurzem jemand die Haare schwarz gefärbt! Wencke schüttete den Mülleimer aus, verteilte den aggressiv stinkenden Inhalt auf den Fliesen.
    »Axel, komm her! Komm sofort her!«
    Er stürzte zur Tür herein. Wencke saß am Boden, und er sah irritiert in das Gesicht eines Menschen, dessen Welt soeben inzwei Teile zerbrochen war. Er beugte sich zu ihr herunter, entdeckte das schwarz befleckte T-Shirt , auf dem I LOVE COLORADO stand, und erkannte sofort die dünnen, dunkelblonden Haare, die Wencke in ihren Händen hielt. Dann begann sie, den Namen ihres Sohnes zu rufen. Als ob ihn das zurückbringen würde.

… Schleiern   …
    Das Faxgerät spuckt zwei Seiten aus. Kurdische Sätze. Mitten in der Nacht, wenn’s geht sofort. Wieder kann er nicht Nein sagen. Will er auch nicht.
    Erstens hilft er gern, auch um drei Uhr morgens. Zweitens ist es ein Brief, in dem es um die Familie der Frau geht, die er noch immer liebt. Er will wissen, was der Mann aus Istanbul schreibt.
    In der Bildungsstätte ist kein Mensch. Er legt das Fax auf den Schreibtisch, das Wörterbuch daneben, dann holt er ein weißes Blatt Papier aus der Schublade, öffnet seinen Füllfederhalter und beginnt mit der Übersetzung. Wort für Wort, Satz für Satz. Und was er liest, macht ihm Angst.
    Ich grüße dich, Moah, mein Onkel und Schwiegervater!
    Und dir, liebe Braut, möchte ich all meine Ehre überbringen! Diesen Brief habe ich meiner Mutter diktiert, die ihn für mich aufgeschrieben hat.
    Es freut mich zu hören, dass du dich voller Eifer auf unseren Tag vorbereitest und nach einem Kleid Ausschau hältst, welches deine Schönheit noch unterstreichen wird. Denn glaube mir, du bist

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