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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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das Faltblatt auf und tat so, als wäre sie an den Informationen brennend interessiert. Augenscheinlich nahm Wasmuth ihr das nicht so ganz ab, er musterte sie kritisch, hakte aber nicht nach.
    Ihr Blick fiel auf einen neongelben Schriftzug, der wie einButton in die Ecke gestempelt war, neben diesen saublöden Spruch vom bunten Dialog in Wunstorf. Spenden Sie!, verlangte die Aufforderung in Großbuchstaben. Doch was Wenckes tatsächliche Aufmerksamkeit gewann, waren die klein gedruckten Zeilen darunter. Ein Spendenkonto bei der
Welfen Privat Bank.
Die nebenstehende Zahlenreihe kam Wencke bekannt vor. 133   144   155
-
0.   Wenn sie sich richtig erinnerte, unterschied sie sich nur in der letzten Ziffer von der Kontonummer, die sie auf Shirin Talabanis Buchungsbestätigung gesehen hatte.
    Es fiel ihr schwer, die Aufregung über diese Entdeckung zu verbergen. »Gehen eigentlich viele Spenden bei Ihnen ein?« Sie räusperte sich, denn in ihrer Stimme klang die Anspannung unverkennbar mit. »Ich meine, reicht das Geld für Ihre Projekte?«
    Er antwortete ausschweifend, wie sie es von ihm gewohnt war. Erzählte von seiner Schule, seinen Festen, seinen Plänen für die Zukunft. Aber Wencke hörte nur mit halbem Ohr mit, sie war zu beschäftigt, sich einen Reim auf das Ganze zu machen. Offensichtlich hatte Shirin über ein Unterkonto des Vereins für Christlich-Islamische-Freundschaft-Nord verfügt. Aber warum?
    »Hat Shirin Ihre Arbeit eigentlich unterstützt?«
    »Sie hat auf dem Fest Getränke verkauft und sich auch mal blicken lassen, wenn es offizielle Termine gab. Aber sonst war sie eher zurückhaltend. Sie war kein politischer Mensch, wenn Sie wissen, was ich meine   …«
    »Politisch? Empfinden Sie Ihr Engagement denn als politisch?«
    »Aber natürlich! Die Unterdrückung der Frau, die Kurdensituation, das alles ist außerordentlich   …« Er stockte. »Soll das hier ein Verhör sein, oder was?«
    »Verhört werden nur Verbrecher«, gab Wencke zurück undhätte zu gern seine Reaktion gesehen, doch in diesem Moment klingelte sein Handy – in der Tasche ihrer Jeans!
    Er suchte kurz in seinen Sachen, dann hatte er verstanden, und der Blick, mit dem er Wencke fixierte, hatte so gar nichts mehr von einem Kleinstadtpädagogen.
    »Geben Sie mir das Handy! Sofort!« Er zog Wencke am Arm zu sich heran, umfasste sie von hinten mit einer Kraft, die sie ihm niemals zugetraut hatte. »Mein Handy! Her damit!«
    Die Passagiere blickten in ihre Richtung, doch sie schienen die Situation falsch zu deuten, hielten Wencke für eine lausige Taschendiebin, niemand machte Anstalten, ihr zu helfen. Wasmuths Griffe wurden fester, er hatte sein Telefon inzwischen lokalisiert und seine Hand befand sich auf dem Weg dahin, streifte ihren Rücken. Wencke wusste sich nicht anders zu helfen und biss ihm in den Arm, mit dem er sie zu bändigen versuchte. Er schrie auf, rief etwas Türkisches, und sogleich erhoben sich einige Männer von ihren Bänken, um dem vermeintlichen Diebstahlopfer zu helfen. Wencke blieb weder Zeit noch Kraft, sie musste schnell reagieren, legte ihre Finger um das Handy, schlug Wasmuth ihren Hinterkopf gegen das Kinn und nutzte das letzte bisschen Energie, sich aufzubäumen. Dann warf sie das Telefon kurzerhand über Bord, überließ das Gerät dem aufgewühlten Wasser des Bosporus. Kreischende Möwen stürzten hinterher, hielten das Ding wohl für einen Leckerbissen, der nun unwiederbringlich auf dem Grund des Bosporus sank.
    Wasmuth konnte keine seltsamen Verabredungen mehr treffen, immerhin.
    »Sind Sie übergeschnappt?«, brüllte Wasmuth. Drei stämmige Kerle hatten sich nun neben ihn gestellt, ein vierter hielt Wenckes Arme nach hinten verdreht. Keiner von ihnen sah aus, als könne man ihn auf irgendeine Weise davon überzeugen, dass er falsch lag mit der Täter-Opfer-Rollenverteilung.
    »Was haben Sie jetzt mit mir vor, Wasmuth?«, zischteWencke. »Dasselbe wie mit Shirin, nachdem sie Ihre Spendengelder veruntreut hat?«
    Er schüttelte den Kopf, als sei sie nichts weiter als eine ungehorsame Schülerin. Dann redete er auf seine kurzfristig eingesprungenen Bodyguards ein, die sich prompt wieder zu ihren Plätzen bewegten – nicht, ohne Wencke im Auge zu behalten.
    Wasmuth zwang sie, sich wieder zu setzen, sie spürte seine geballte Faust in der Nähe ihrer Niere. »Jetzt ist aber Ruhe, verstanden?«, raunte er in ihr Ohr. »Mit mir können Sie sich solche Spielchen vielleicht noch erlauben. Ich bin ein

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