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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zum Teufel soll ich in einem türkischen Badehaus?«
    »Halt endlich mal die Klappe!«, herrschte einer der beiden sie in akzentfreiem Deutsch an. Es war paradox, aber irgendwie erleichterte es Wencke, in ihrer Muttersprache zurechtgewiesen zu werden.
    Die Tür zum
Hamam
wurde von innen geöffnet, man hatte sie also erwartet. Vier Männer standen Spalier. Hier Reißaus nehmen zu wollen, war wenig aussichtsreich, dann hätte sie genauso gut versuchen können, durch Wände zu gehen. Wencke gehorchte den unausgesprochenen Befehlen und betrat, nachdem man ihr die Reisetasche abgenommen hatte, das Badehaus. Sie ließ sich durch den Flur bugsieren, in dem sich kabinenartige Verschläge befanden. Sie wehrte sich nicht, als sie unsanft in das Zentrum des Bades gestoßen wurde: ein runder Raum, in dem es furchtbar warm war und feucht roch. An den Wänden hingen zwei verrottete Waschbecken, in der Mitte breitete sich die steinerne Liegefläche in Form eines kniehohen Marmorblocks aus. Ganz allein stand Wencke plötzlichzwischen vermoosten Steinwänden, die in dem Moment zum Gefängnis wurden, als jemand von außen den Schlüssel umdrehte.
    Es regte sie nicht mal sonderlich auf. Sie war nicht mal resigniert – vielmehr erwachte in ihr eine Neugier, die sie fast schon zuversichtlich machte. Was hätte sie gewonnen gehabt mit einem weiteren Besuch bei einem falschen Rafet? Jetzt waren die Karten noch einmal neu gemischt worden, und selbst wenn sie nun völlig auf sich allein gestellt war, weder über ein Handy noch einen Verbündeten verfügte, sie würde es schaffen. Emil wartete sicher schon auf sie. Ganz sicher. Und sie würde nicht aufgeben, das wusste er bestimmt. Und nur wenn sie aufgeben würde, wären sie beide verloren.
    Dieser Gedanke spornte sie an. Sie wollte, sie musste – sie würde das alles hier irgendwie überleben.
    Erst als sie die Kartons in der Nische neben einem Wasserbecken stehen sah, dorthin ging, hineinschaute, verflüchtete sich ihr Selbstbewusstsein. Sprengstoff, verpackt in kleine, runde Stangen, silvesterböllergleich, vor der Feuchtigkeit geschützt in dicker, durchsichtiger Plastikfolie. Wencke war keine Expertin auf diesem Gebiet, doch die wenigen Lektionen, die sie über Dynamit, Schwarzpulver und Co. erteilt bekommen hatten, verrieten ihr, dass der Inhalt dieser Pappbox reichen würde, um die
Hagia Sophia
oder sonst ein Istanbuler Monument in viele kleine staubige Mosaiksteinchen zu verwandeln. Am Rand klemmte etwas Ledernes, Wencke zog es hervor und betrachtete es genauer. Ein Gürtel, ringsherum waren Schlaufen befestigt, deren Durchmesser denen der Sprengsätze entsprach. Dieses Teil war kein Accessoire von der Stange, es sei denn, es gab Spezialboutiquen für Selbstmordattentäter.
    Sie ließ keine Sekunde verstreichen, riss die Tüten auf, nahm immer gleich mehrere Sprengsätze in die Hand und legte sie in das Becken. Sie würde diese tödliche Ladung unbrauchbarmachen, jetzt, sofort! Doch als sie den Wasserhahn aufriss, kamen daraus nicht mehr als ein trockenes Röcheln und ein Schwall üblen Gestanks. Die Leitungen waren hinüber, hier gab es kein Wasser. Dann eben echte alte Handarbeit, dachte sie, griff nach der erstbesten Stange und versuchte, sie zu zerbrechen.
    Doch noch bevor sie beginnen konnte, wurde mit einem Ruck die schwere Tür geöffnet, das Türblatt knallte gegen die Wand und die beiden Männer, die sich eben als so uncharmante Chauffeure erwiesen hatten, stürzten herein. »Finger weg!«, brüllte der eine, da hatte der andere schon kurzen Prozess gemacht, Wenckes Arm verdreht und ihren Kopf an den Haaren nach hinten gerissen. Seine Hände schoben sich schamlos unter ihre Bekleidung, rissen das T-Shirt am Ausschnitt auf. Er betatschte ihre Brüste, griff zwischen die Beine. Erst als er sicher war, dass sie keinen weiteren Sprengsatz versteckt hatte, ließ er Wencke los und schleuderte sie gegen die Steinwand. Wencke verlor das Gleichgewicht, stürzte auf eine scharfe Kante. Der Schmerz ließ sie aufschreien, und nur langsam kam sie wieder auf die Beine. Sie war nicht schnell genug, schon hatten die beiden den schweren Karton angehoben, ächzend trugen sie das gefährliche Zeug aus dem Raum. Einer fluchte dabei – auf Kurdisch, doch man konnte ihm ansehen, dass er keine freundlichen Worte für denjenigen fand, der einen so gewaltigen Haufen Sprengstoff bei einer Gefangenen gelassen hatte. Als Wencke längst wieder allein im Raum und die Tür verschlossen war, konnte man

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