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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sein Telefon aus der Tasche, schaute auf den Bildschirm und schüttelte den Kopf. »Hier haben wir keinen Empfang. Das Viertel ist noch etwas rückständig.«
    Merkwürdig, dachte Wencke. Sie hatte hier doch schon Leute telefonieren sehen? »Ich probier’s einfach mal.«
    »Glauben Sie mir nicht, oder was?«, entgegnete er gereizt und steckte das Telefon demonstrativ wieder ein.
    Wencke entschied abermals, die Situation nicht hochkochen zu lassen, und atmete tief durch. »Wohin gehen wir jetzt?«
    »Der zweite Rafet ist Händler auf dem großen Bazar. Das sind ein paar Stationen mit dem
Dolmuş
, so heißen die Sammeltaxen – falls ich Ihnen das mal so erklären darf   …«
    Wencke reagierte nicht auf seinen Sarkasmus.
    »Laut Reiseführer schließt der Bazar um sieben, wir haben also nicht mehr viel Zeit.«
    So spät war es schon? Sie beschleunigten den Schritt.
    An der Ecke einer stark befahrenen Straße stiegen sie in einen Kleinbus ohne Sicherheitsgurte und Seitentür, der Fahrer hupte ununterbrochen und fluchte auf Türkisch, aber so kamen sie vergleichsweise schnell vorwärts. Irgendwann fuhr das Taxi rechts ran und ließ sie aussteigen. Woher der Fahrer wusste, dass sie am Ziel waren, erschloss sich Wencke nicht. Es gab vieles, was sie in dieser Stadt seltsam fand, das unverständlichwirkte, aber trotzdem funktionierte. Vielleicht – unter anderen Umständen – hätte Wencke sich für Istanbul begeistern können, denn der Ort war überraschend und vertraut zugleich, und das schon nach diesen paar Stunden, die sie hier waren. Aber es gab diese anderen Umstände nicht, sie war hier, um Emil zu finden, aus keinem anderen Grund.
    Wasmuth lief zielstrebig auf ein niedriges, graues Gebäude zu. Wencke trat nach ihm durch ein Tor und fand sich zwischen gemusterten Tüchern, Pyramiden von Turnschuhen und Handtaschen wieder.
    »Unser Mann arbeitet an einem Süßwarenstand«, erklärte Wasmuth, der die entsprechende Seite im Reiseführer studiert hatte. »Die Lebensmittel findet man in einem Quergang etwas weiter hinten. Folgen Sie mir!«
    In den überdachten Gängen des Bazars gab es weit mehr als zwanzig Händler, die Gewürze, Tee, türkischen Honig und Trockenobst anpriesen. Und der erstbeste Verkäufer war keineswegs zufrieden damit, dieser Touristin – für die er Wencke hielt – nur eine bloße Information zu überlassen, wo er doch hartnäckig darauf lauerte, seine Berge aus Mandeln, Zucker und Farbstoff zu verkleinern. Erst nach erfolgreichem Handel fiel ihm ein, wo ein Kollege arbeitete, der Rafet hieß. In gebrochenem Englisch gab er den Grübler, ach ja, den kenne er, der habe nicht so gute Ware, ganz sicher nicht, aber sein Laden befände sich so ungefähr in der Mitte des Ganges, ein paar Schritte neben der Abbiegung zur Keramikabteilung.
    Rafet Nummer zwei entpuppte sich als kleiner, schlanker Mann mit glänzenden Augen. Nachdem Wencke ihm zum Preis von umgerechnet zehn Euro eine ganze Tüte intensiv duftender Lebensmittel abgekauft hatte, war er bereit, auf ihre Fragen zu antworten.
    »Adı Roza olan ve Almanyadan gelen bir kadın tanımıyorum. Nışanlımın adı Hilal.«
    »Was sagt er?«, wollte Wencke wissen.
    »Er kennt keine Roza aus Deutschland und seine Braut heißt Hilal.«
    »Mist!«, fluchte Wencke leise.
    Der Süßwaren-Rafet sah nun auch weit weniger freundlich aus als zuvor, er packte Wasmuth an den Schultern und redete auf ihn ein.
    »Kürt değilim görebildiğin gibi. Keçi kulaklı mıyım?«
    Die letzte Frage wiederholte er mehrfach und wurde immer lauter, als wolle er Streit anfangen. Zwei seiner Kollegen gesellten sich zu ihm, ballten die Fäuste und riefen etwas dazwischen.
    Wasmuth wurde noch blasser, als er ohnehin war, wich zurück, versuchte ein Lächeln, dann nahm er Wenckes Hand und zog sie hinter sich her, bis sie die schimpfenden Männer nicht mehr sehen konnten und die Geräusche des Bazars deren Rufe verschluckten. An die Tüte mit den gekauften Leckereien hatten sie nicht gedacht, die würde Hilals Bräutigam nun wohl an den nächsten Kunden bringen.
    »Was hat ihn denn so wütend gemacht?«, fragte Wencke, als sie wieder unter freiem Himmel standen.
    »Er fühlte sich beleidigt«, gab Wasmuth sich ungewohnt wortkarg.
    »Weil wir nach dem Namen seiner Braut fragen?«
    »Nein, weil wir ihn für einen Kurden gehalten haben. Darüber war er aufgebracht. Ob er Ziegenohren habe, wollte er wissen.« Man sah Wasmuth an, dass er froh war, der Sache heil entkommen zu

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