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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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kommen.«
    Cremer nahm den Gedanken sofort auf. »Sie sind ein kluger Mann. Eigentlich viel zu klug für einen Streifenpolizisten. Haben Sie nie daran gedacht, Kommissar zu werden?«
    Jens Hagen fühlte sich geschmeichelt, aber ihm war durchaus klar, dass Cremer versuchte, ihn mit Komplimenten auf seine Seite zu ziehen.
    »Wir brauchen Schusswaffen«, sagte er mit leiser Stimme. »Wenn die Waffen nicht weit genug reichen, kommen sich die Menschen zu nah.«
    Sofort regte sich in Jens Hagen Widerstand. So sinnvoll ihm das Abschotten der Insel erschien, er wollte auf keinen Fall Waffen verteilen und eine Schießerei provozieren.
    Er wand sich unter Cremers forschenden Blicken. »Wir haben hier keine Waffenkammer bei der Polizei, die ich so einfach aufmachen könnte …«
    »Einfach, mein junger Freund, ist heutzutage fast gar nichts mehr. Das Leben ist kein Streichelzoo. Eine Golfpartie vielleicht ist einfach. Eine Steuererklärung schon nicht mehr.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Wie viele Waffen können Sie beschaffen?«
    »Ich … ähm … also … Im Grunde keine …«
    Er hatte einen Moment zu lange gezögert. Heinz Cremer konnte seinen Worten nicht glauben.
    Der Düsseldorfer Architekt stieß den jungen Polizisten kumpelhaft an: »Wir brauchen Ihre paar Dienstpistolen gar nicht. Was glauben Sie, wie viele Handfeuerwaffen der Sportschützenverein hier auf der Insel hat?«
    Heinz Cremer strich sein Hawaiihemd glatt, das vom Wind aufgebläht wurde. Es gefiel ihm nicht, dass der ostfriesische Wind ihm den Bierbauch zurückzauberte, von dem er dachte, ihn sich mühsam abgehungert und abtrainiert zu haben.
    »Glauben Sie mir, das reicht aus, um die Insel zu verteidigen. Ich wette, im Vereinshaus sind bessere und vor allen Dingen präzisere Gewehre gebunkert, als Sie sie haben. Stimmt’s?«
    Jens Hagen schwieg verbissen.
    »Haben Sie überhaupt Gewehre?«
    Jens Hagen schüttelte den Kopf.
    »Na sehen Sie. Wir brauchen aber Scharfschützen und Waffen auf lange Distanz. Ich denke, mit ein paar gezielten Treffern können wir sie uns vom Leib halten.«
    Während er sprach, marschierte Heinz Cremer fast im Stechschritt am Landungskai entlang. Jens Hagen hatte Mühe, Schritt zu halten.
    Dann blieb Cremer stehen und suchte mit dem Fernglas den Horizont ab.
    »Sie wollen auf die Menschen in den Booten schießen?«
    Ohne das Fernglas zu senken, antwortete Heinz Cremer: »Ein, zwei gezielte Schüsse auf die Rädelsführer oder die an den Rudern. Präzise in Arme oder Beine. Das wird sie zur Vernunft bringen und umkehren lassen. Kleine Fleischwunden, die verheilen rasch und sind halb so wild.« Er hatte einen gebieterischen Gesichtsausdruck.
    »Ich finde das keine gute Idee«, sagte Jens Hagen.
    »Aber Herr Wachtmeister …«
    »Sagen Sie nicht Wachtmeister zu mir!«, protestierte Hagen.
    »Wenn der erste Verletzte in ihrem Boot um Hilfe schreit, werden sie umkehren«, versprach Cremer mit fester Stimme.
    Jens Hagen hatte Mühe, sich der Entschlossenheit von Heinz Cremer zu widersetzen. Er war so klar und so exakt in seinen Aussagen.
    Doch er versuchte, sich gegen die invasive Macht der Worte zu wehren: »Was wollen Sie denn dann von mir, Sie brauchen doch meine Hilfe gar nicht!«
    »Nein, da haben Sie wohl recht, aber wenn wir zusammenarbeiten, könnte es für uns beide von großem Vorteil sein, oder wollen Sie hinterher dastehen, als ob Sie untätig zugesehen hätten?«
    »Natürlich nicht!«
    Dunkle Wolken stiegen über der Insel auf, vereinigten sich zu einer geschlossenen Formation. Sie kamen scheinbar aus dem Meer. Der Wind drehte und die Flut drückte das Wasser gegen den Strand.
    Es war, als hätte Heinz Cremer dem Polizisten einen Köder hingeworfen, und der würde ihn reflexartig schlucken wie ein hungriger Hecht – und viel zu spät schmerzlich den Haken spüren.
    »Wenn Sie die Waffen beschlagnahmen und wir sie dann ausgeben, haben wir die Sache im Griff, wer zu unseren Leuten gehört und wer nicht.«
    Da war zweifellos etwas Wahres dran. Jens Hagen fand keine Möglichkeit zu widersprechen.
    »Klar, besser, wir haben das unter Kontrolle, als dass irgendein wild gewordener Cowboy …«
    Noch während er sprach, kamen Hagen Bedenken. Wie sollte er entscheiden, wer vertrauenswürdig war und wer nicht? Ein Waffenschein allein reichte als moralische Qualifikation ja wohl kaum aus.
    Bevor er die Frage formulieren konnte, sagte Heinz Cremer: »Wir beide retten die Insel, also …«, schränkte er dann ein, »wir beide

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