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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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ausgedacht hatte, war ein netter Partyspaß gegen das, was hier geschah. Tim hatte Federn in Mund, Augen und Nase. Er versank in einem aggressiven Hühnersumpf.
    Von oben stieß Ubbo Jansen eine Aluleiter in die wabernde Federviehmasse.
    »Die Leiter, die Leiter, nehmt die Leiter! Klettert die Leiter hoch!«, schrie er, denn er war sich bewusst, dass weder Akki noch Josy noch Tim aus dem Gewimmel der Hühnerleiber die Leiter sehen konnten.
    Er schlug gegen die Käfige, in der Hoffnung, sie könnten die Leiter durch das Geräusch ausfindig machen. Dabei hörte er nicht auf zu brüllen: »Die Leiter, die Leiter!«
    Zunächst glaubte Josy, von den Hühnern angegriffen zu werden, als sie der Schlag in den Rücken traf. Doch dann erwischte sie die silbern glitzernde Aluleiter. Sie klammerte sich mit rechts an der Kletterstange fest und versuchte, mit links, irgendwo im Raum blind herumwühlend, Kontakt zu Tim zu bekommen, doch alles, was sie fassen konnte, waren Hühnerleiber. Krallen zerkratzten ihr Gesicht und gruben sich in ihre Kopfhaut.
    Dann erwischte sie einen Fuß. Das musste Tim sein.
    »Noch einmal! Noch einmal! Wir haben noch einen Versuch!«
    Wieder klammerte Tim sich an ihrem Rücken fest, wobei ein Huhn zwischen ihnen eingeklemmt wurde. Zwischen Tims Bauch und Josys Hintern brach es sich die Flügel. Auf den Leitersprossen drängten sich weitere Tiere, es war für Josy, als würde sie durch einen Hühnerbrei klettern. Sie presste die Lippen fest aufeinander und versuchte, nicht zu atmen. Hinter ihr krachten Tims Knie mit jedem Höhersteigen gegen die Sprossen. Blut tropfte aus seinem Hosenbein, aber er spürte keinen Schmerz. Seine Beine waren seit dem Unfall gefühllos.
    Josy erreichte das Dach. Ubbo Jansen packte seinen Sohn und zerrte ihn auf ein sicheres Stück Wellblech. Längst waren keine Hühner mehr auf ihm, doch Tim schlug immer noch um sich, als hätte er Angst, unter ihnen begraben zu werden. Er wälzte sich herum, weinte und schrie. Er konnte seine Rettung nicht glauben.
    Ubbo Jansen hielt ihn an den Beinen fest. Er hatte Angst, bei den unbedachten Bewegungen könnte sein Sohn sonst zurück in die Hühnerfalle stürzen.
    »Wo ist Akki?«, fragte Josy entsetzt. Sie sah sich um und hoffte, dass er bereits irgendwo über den Hof rannte, um nach weiteren Feuerlöschern zu suchen oder um Wasser zu holen. Doch Ubbo Jansen zuckte mit den Schultern. »Er muss noch da drin sein. Jedenfalls ist er hier nicht rausgekommen.«
    Sofort wollte Josy über die Leiter zurück. Ubbo Jansen hielt sie fest. »Du bist eine heldenhafte junge Frau. Du hast meinen Sohn gerettet. Aber ich würde an deiner Stelle das Schicksal nicht noch einmal herausfordern. Akki ist jung und stark. Er muss es selbst schaffen. Oder …«
    »Und wenn er ohnmächtig da unten liegt?«
    »Willst du ihn dann retten?«
    Als sei die Frage es gar nicht würdig, diskutiert zu werden, krabbelte Josy schon in das Hühnergewimmel zurück. Es war nicht leicht, runterzukommen, denn alle anderen Kräfte strebten nach oben. Hunderte Hühner flatterten an ihr vorbei nach draußen. Einige schossen geradezu hoch, als würden sie mit einer ungeheuren Kraft heraufgeschleudert werden.
    Akki war mit dem Gesicht auf seine Brille gefallen. Ein Bügel war abgebrochen, das linke Glas zerstört. Er lag bewusstlos am Boden. Auf ihm drängten sich Hühner dicht an dicht. Seine Haare waren voller Hühnerkacke, die von dem eingestürzten Förderband tropfte. Josy packte ihn und zerrte an ihm. Es war ihr bewusst, dass sie es zwar geschafft hatte, Tim nach oben zu tragen, aber einen ohnmächtigen Mann wie ihn konnte sie nicht hier hochbringen. Sie schlug ihn ins Gesicht. Der Hühnerkot spritzte.
    »Akki, Akki, werd wach! Akki, wir müssen hier raus!«
    Der Qualm breitete sich jetzt über den Boden aus. Er war schmierig, rußig, gelb. Josy hielt sich den Arm vor den Mund und atmete in die Beuge hinein.
    Akki bewegte sich. Ein Hustenanfall ließ ihn hochschrecken. Mit panischen Augen sah er Josy an. Sie hielt immer noch mit einer Hand die Leiter umklammert.
    »Hoch«, sagte sie nur. »Hoch, Akki!«
    Er schaffte es aus eigener Kraft, kämpfte sich durch die Geflügelflut nach oben. Josy kletterte hinter ihm her.
    Endlich waren sie alle vier auf dem Dach. Tim lag auf dem Rücken, Arme und Beine von sich gestreckt, und sah den Vögeln hinterher, die in den Abendhimmel flatterten.
    Kaum ein Tier verließ die Hühnerfarm. Die meisten landeten auf dem Dach des

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