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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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weiß-roten Rettungsring.
    Im Wasser, keine zehn Meter von ihnen entfernt, sah er ein Tier, das mit großen, aufmerksamen Augen aus den Wellen guckte. Um die Kinder auf andere Gedanken zu bringen, zeigte Benjo in die Richtung und flüsterte: »Da! Ein Seehund.«
    Margit Rose hielt ihre Tochter hoch, damit sie ihn auch sehen konnte, doch Violas Kopf baumelte nach unten. Dennis reagierte. »Ja, Papa, da! Wirklich! Der ist ganz nah! Der Kopf, kannst du ihn sehen? Oh, ist der süß!«
    Dann tauchte ein zweiter Seehund auf, mit silbernen Haaren um die Nase herum. Er schwamm direkt neben dem Boot her, so als wollte er Benjo den Weg weisen. Der wurde von einer Hoffnungswelle geflutet.
    Den schickt Chris mir, dachte er dankbar; weil sie nicht selbst hier sein kann, schickt sie mir die Tiere. Chris liebte Seehunde, das wusste er. Sie hatte ihm sogar einen Pullover gestrickt mit einem Seehund darauf. Er fand den Pullover albern und hatte ihn nie, wirklich niemals, angezogen, sondern in die hinterste Ecke seines Schrankes verbannt. Doch jetzt wusste er, er würde in Zukunft diesen Pullover tragen, bis er ihm in Fetzen vom Leib fiel. Das schwor er sich. Er wischte sich Tränen der Rührung aus den Augen.
    Wie aus einem langen Koma erwachend, mit einer piepsigen Stimme, die gar nicht zu ihm passte, sagte Kai Rose: »Wir können da nicht an Land gehen. Die bringen uns um. Die sehen uns doch alle. Die sitzen da mit ihren Drinks und schauen uns zu, wie wir um unser Leben kämpfen. Die Schweine …«
    Die haben auch nur Angst um ihr eigenes Leben, dachte Benjamin und ärgerte sich darüber, wie viel Verständnis er mal wieder für andere Menschen hatte.

 
    73 Ein Mathematiklehrer aus Essen sah, nachdem er genüsslich einen Langustenschwanz gegessen hatte und nun auf seinen Espresso wartete, das Boot auf die Küste zusteuern. Jörg Bauer liebte die Seefahrt und spendete bei jedem Urlaub in Ostfriesland an die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Er reagierte anders, als Kai Rose gedacht hatte.
    Er wählte mit seinem Handy die Nummer 124 124 und kam beim ersten Versuch zur Seenotleitung nach Bremen durch. Dort wusste man bereits Bescheid und beruhigte ihn, ein Seenotrettungskreuzer sei unterwegs und auch der auf Borkum stationierte Seenotrettungshubschrauber sei bereits gestartet.
    Beides entsprach den Tatsachen. Der pflichtbewusste Pilot flog seit Stunden Einsätze. Er hatte eine humanistische preußische Erziehung genossen, die ihn antrieb, seine Pflicht zu erfüllen, und es ihm unmöglich machte, sich in so einer schweren Situation krankzumelden, obwohl er hohes Fieber hatte.
    Hunderte Touristen sahen ihm zu wie bei einem großartigen, für sie inszenierten Schauspiel. Doch sie erlebten nicht die erhoffte Rettung Schiffbrüchiger, sondern sie sahen, wie der Hubschrauber plötzlich ins Trudeln geriet und ins Meer stürzte.
    Mit zahlreichen Handyvideos wurde der Absturz gefilmt. Knapp zwanzig Minuten später flimmerten die Bilder bereits in der Sondersendung der ARD über Millionen hochauflösender Flachbildschirme.
    Margit Rose kreischte, weil sie befürchtete, der Hubschrauber würde auf das Rettungsboot fallen. Die Hubschrauberblätter rotierten sogar unter Wasser noch und peitschten die Wellen hoch. Das Wasser um die Absturzstelle herum brodelte.
    Benjo versuchte erst gar nicht, zum Hubschrauber zu steuern, um Hilfe zu leisten. Er konnte nichts ausrichten. So ließ er das Boot jetzt einfach in der Strömung treiben. Er wollte zu den Seehunden. Dort fühlte er sich sicherer als bei den Menschen.

 
    74 Akki stand auf dem Förderband, das den Hühnerkot nach draußen transportieren sollte. Das Band lief nicht mehr. Von hier aus erreichte er mit beiden Händen die Stalldecke. Er drückte auf Anweisung von Ubbo Jansen mit einem Balken dagegen, während Ubbo mit seinem Beil ein Loch ins Dach schlug.
    Der Lärm im Hühnerstall war irre. Er erinnerte Akki an den Dschungel in Nicaragua. Er hatte ein halbes Jahr bei einem Entwicklungsprojekt mitgearbeitet, bevor alles mangels finanzieller Unterstützung aufgegeben wurde. Er kannte den Lärm des Dschungels. Manchmal, wenn dort irgendetwas geschah, das sich dem Auge des Betrachters entzog, weil es in der Tiefe des Dickichts passierte, hob plötzlich ein Geschrei an von Affen und Vögeln, selbst Insekten zirpten mit, als würden sich die Tiere gegenseitig vor etwas warnen wollen, und genauso schnell, wie diese Geräuschkulisse entstand, verstummte sie auch wieder. Hier war

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