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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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konnten. Da waren diese feinen Zischlaute mit dem Plopp der Luftgewehre. Dann das reißende Prasseln von Schrot. Und schließlich die dumpfen Töne großkalibriger Jagdwaffen. Dann peitschten wieder Kugeln durch die Luft, als seien sie für einen Wildwestfilm abgefeuert worden. Wenn die Geschosse ins Gebäude einschlugen, gab es einen zweiten Knall, wenn sie nur die Luft zerfetzten, erklang ein Pfeifen.
    Ubbo Jansen warf sich auf den Boden. Aber Akki erklärte: »Die schießen nicht auf uns. Die ballern die Hühner ab.«
    Jansen begann am Boden liegend zu weinen. Kein »Still fighting!« ging über seine Lippen. Er bekam keinen Kontakt zu dem inneren Helden in ihm, der er noch auf Mauritius gewesen war. Ein tiefer Weltschmerz packte ihn und eine abgründige Verzweiflung. Plötzlich kam ihm sein Leben vor wie eine Aufeinanderfolge von Unglücken. Hatte er immer nur Pech gehabt? Warum musste er in diesem Job arbeiten, den scheinbar alle hassten? Andere ernteten Ruhm und Ehre für das, was sie taten, ließen sich feiern, wurden staatlich subventioniert und er … er kam sich vor wie der letzte Idiot, der die Drecksarbeit machte und sich dafür noch verspotten lassen musste. Seine Ehe war gescheitert, sein Sohn hasste ihn im Grunde und seine geliebte Tochter suchte einfach nur den größtmöglichen Abstand zu ihm in einem Entwicklungshilfeprojekt. War das nicht die eigentliche Motivation für sie: nicht in seiner Nähe zu sein? Konnte sie ihn nur lieben, wenn sie weit von ihm entfernt war?
    Er hatte seine besten Zeiten hinter sich und fragte sich, wofür es sich überhaupt noch lohnte zu leben. Er ballte die Fäuste und drückte sein Gesicht auf den Boden. Die beste Zeit hinter sich … das konnte doch nicht wahr sein. Was sollte das denn gewesen sein, die beste Zeit? Die Aufbauphase? Das ständige Arbeiten, zwölf bis vierzehn Stunden am Tag, natürlich Samstag und Sonntag durch? Die Zeit, in der es immer um die Kinder ging und nie um ihn?
    Nein, viele gute Zeiten hatte es in seinem Leben nicht gegeben. Doch jetzt erinnerte er sich daran. Jede gute Stunde erschien ihm wie eine Rettungsboje, ein Notanker, der ihn im Leben hielt und dafür sorgte, dass er nicht von der reißenden Strömung aus Selbstmitleid und Trauer weggerissen wurde.
    Ja, als er bei Tims Geburt dabei war und ihn auf dem Arm hielt, das war ein großer Augenblick gewesen, und wie er Kira abgenabelt hatte und ihr schleimiges Köpfchen hielt. Wie sie zum ersten Mal »Papa« sagte und ihn anhimmelte, als sei er der Mann ihres Lebens. Und dann, ja dann diese intensive Zeit beim Fischen auf Mauritius, als er, im Kampfstuhl sitzend, den ersten Biss des Blue Marlin spürte und die Wucht des Fisches ihm fast die Angel aus den Händen gerissen hätte. Das Surren der Schnur von der Rolle und der Hai, als er ihn erschlug. Still fighting!
    Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war und wie lange er hier gelegen hatte. Es peitschten immer noch Schüsse durch die Luft und die Rauchentwicklung machte es ihm unmöglich zu sehen, wo Tim und die anderen waren.
    Er sah die Schleifspur am Boden, die Tims gefühllose Füße hinterlassen hatten. Hier mussten Josy und Akki ihn entlanggeschleppt haben. Sie waren zum Wohnhaus gelaufen. Er folgte ihnen hustend durch den Qualm.
    Josy kam ihm entgegen. Sie stießen fast zusammen. Sie musste nichts sagen. Er wusste, sie war zurückgekommen, um ihn zu holen. Sie wollte ihn nicht zurücklassen. Welch eine Frau!
    Er gönnte sie seinem Sohn so sehr. So eine hatte er sein Leben lang gesucht. Eine, die in der Krise zupackte, wusste, was Loyalität war, und nicht gleich davonlief, wenn es mal schwierig wurde.
    Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, dachte er, ich würde versuchen, meinem eigenen Sohn die Freundin auszuspannen. Dann grinste er über sich selbst.
    Josy stützte ihn, und als sie im Wohnhaus ankamen, hatte sie den Eindruck, einem fröhlichen Mann über die Schwelle zu helfen und keineswegs einem geschlagenen Jammerlappen.
    Akki saß auf dem Tisch. Seine Füße baumelten herunter. Er hielt eine offene Mineralwasserflasche in der Hand, aus der er immer wieder einen kleinen Schluck gegen das Kratzen im Hals nahm. Sein Gesicht war rosig, seine Stimme krächzte. Er rief alle seine Freunde an; und die Notfallkette für geheime Aktionen, die sie so lange geplant hatten und die nie wirklich gebraucht worden war – die wurde jetzt aktiviert.
    »Die Schweine machen uns fertig. Es ist genau, wie wir immer gesagt haben: Wer keinen

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