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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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sondern ihnen eine reingehauen. Das war eh überfällig. Warum, fragte Carlo sich plötzlich, erlaube ich diesen Lackaffen, mich als Fußabtreter zu benutzen? Sie erhöhen sich, indem sie mich erniedrigen. Der eine grinst blöde über mein Outfit, weil ich die neusten Modetrends verpasst habe, zu dick bin und der Nagellack meiner Frau nicht zur Farbe meines Autos passt. Dieser Student findet es unter seinem Niveau, sich überhaupt mit mir zu unterhalten, und für den Strafverteidiger bin ich einfach nur ein Langweiler, ein kleines Licht. Einmal, als ich erzählen wollte, wie wir in unserem Amt eine üble Massentierhaltung beendet hatten, die gegen die Gesetze verstieß, da hat dieser arrogante Mistkerl mich mit den Worten unterbrochen: »Du bist doch auch nur ein Gehaltsempfänger, Carlo. Mach dich mal nicht größer, als du bist.«
    Dann hatte er lachend sein strahlend weißes, komplett überkrontes Raubtiergebiss gezeigt.
    Fast ärgerte Carlo Rosin sich jetzt darüber, damals nicht einfach zugeschlagen zu haben, aber damals war dieses Gefühl gar nicht in ihm aufgestiegen. Nun aber fragte er sich, ob er es vielleicht nur unterdrückt hatte. Was weckte in ihm plötzlich diese negativen Gefühle? Warum war er mit einem Mal so voller Wut?
    Es kam ihm vor, als würden Hass und Zorn aus sehr alten Verletzungen durch ein Virus aktiviert werden, das durch seinen Körper jagte und die Muskeln durchblutete. Inzwischen hatte es die Schwelle zum Gehirn passiert und verwandelte ihn, den zivilisierten Mann, in ein Urzeitviech.
    Ulf Galle drehte das Radio lauter. Carlo Rosin hatte nicht einmal registriert, dass aus dem Gerät irgendwelche Musik tönte.
    »Aus Sorge, die Vogelgrippe könne nach Borkum eingeschleppt werden, haben aufgebrachte Touristen und Inselbewohner eine Fähre zur Umkehr gezwungen. Das Schiff ist zurzeit wieder auf der Rückfahrt nach Emden.«
    Es folgten O-Töne von der Insel. »Richtig. Bravo sage ich da nur. Bravo. Ein paar beherzte Bürger haben rasch gehandelt. Ich wäre sofort dabei gewesen, habe es aber leider erst erfahren, als ich von einer Radtour zurückkam.«
    Eine junge Frau mit französischem Akzent sagte: »Mein Freund hat auch mitgemacht. Wir können nicht warten, bis die Politiker sich einig sind und eine Entscheidung fällen. Hier ist Gefahr im Verzug. Es geht um uns alle. Schauen Sie sich um! Noch ist die Insel virusfrei und das soll auch so bleiben!«
    Im Hintergrund war Beifall zu hören.
    Angeblich tagte in Emden, an einem geheim gehaltenen Ort, ein Krisenstab, der auch Unterstützung von Land und Bund erhalten sollte. Seine Zusammensetzung war zur Stunde noch unbekannt.
    Ein ähnlicher, bisher aber noch unbestätigter Vorfall wurde von der Insel Juist gemeldet. Da der Fährverkehr dort aber tideabhängig war, saß die Fähre jetzt im Watt fest. Die Meldungen kamen ausschließlich von nichtprofessionellen »Reportern«, über Handtelefone, per E-Mail oder Digitalfilm.
    Die Filialleiterin eines Supermarktes beklagte sich bitter, sie müsse von Juist nach Essen zurück. Ihr Urlaub sei beendet und sie habe dringende Termine. Auch der kleine Flughafen sei gesperrt worden. Das alles sei Freiheitsberaubung. Sie drohte mit einer Klage und verlangte, die Polizei solle anrücken, um ihr Recht auf Freizügigkeit durchzusetzen.
    Ein pensionierter Virologe aus Oldenburg, der, wie er sagte, sein ganzes Leben lang vor so einem Virusausbruch von Mensch zu Mensch gewarnt hatte, fand das Verhalten der »Borkumbeschützer«, die er auch »Inselwächter« nannte, folgerichtig und aus »seuchenpolitischer Sicht« klug, da die große Politik mal wieder nur Sprechblasen hervorbringe oder auf Tauchstation gegangen sei.
    Nach einigen von offizieller Stelle unbestätigten Meldungen hatte es vor Borkum eine Schießerei gegeben und es war mindestens ein Todesopfer zu beklagen.
    Während er den Wagen steuerte und zuhörte, knirschte Carlo mit den Zähnen, ohne dass es ihm bewusst war. Ulf Galle beugte sich vor, um das Ohr näher am Lautsprecher zu haben, dabei konnte er aber den Blick nicht von Carlo lassen. In seinem Mund knirschte es so laut, dass Ulf Galle jeden Moment damit rechnete, seinem Auricher Kollegen könnte ein Zahn abbrechen.
    »Die Leute nehmen die Sache selbst in die Hand, wenn die Behörden versagen«, zischte Carlo.
    Komischerweise bekam er gerade Lust auf Fleisch. Er stellte sich vor, in ein dickes Kotelett zu beißen und Stücke herauszureißen, wie ein Löwe aus einer Beuteantilope. Wieder

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