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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Möwen bemerkt. Es war, als wüssten die Tiere vorher Bescheid. Er traute sich nicht, das zu sagen, er fürchtete, für einen Spinner gehalten zu werden. Aber als er jetzt die Schreie der Silbermöwen hörte, verlor er jede Hoffnung. Etwas in ihm zerbrach wie eine Teetasse, die herunterfällt.
    Er musste sich Mühe geben, Lars Kleinschnittger überhaupt zu sehen. Vor seinen Augen tanzten weiße Punkte. Und plötzlich traf ihn der Gedanke wie ein giftiger Pfeil: Die Silbermöwen warnten die Menschen nicht! Sie freuten sich auf das zu erwartende Aas.
    Drei Wellen rollten dicht hintereinander auf die Anlegestelle zu. Es waren keine großen, gefährlichen, sondern surferfreundliche Wellen. Anfängergeeignet, aber doch heftig genug, um die Fähre mit ganzer Breitseite gegen die Dalben zu drücken.
    Lars Kleinschnittger konnte das Herannahen der Wellen weder sehen noch hören. Er klammerte sich mit der Linken an das Holz. Den Schmerz in der Schulter spürte er nicht. Adrenalinstöße gaben ihm Kraft. Er war völlig konzentriert darauf, sich zu retten. Einen Moment lang fühlte er sich sogar unsterblich und mit Supermannkräften ausgestattet. Wenn das körpereigene Drogen waren, die da freigesetzt wurden, dann hatte er nie in seinem Leben einen besseren Stoff probiert, und er hatte wahrlich eine Menge Erfahrung mit chemischen Trips. Amphetamine, Angel Dust, LSD, Koks. Es gab kaum etwas, was er nicht ausprobiert hatte.
    Die Erkenntnis, dass sein eigener Körper in größter Gefahr den besten Kick freigab, war die letzte in seinem jungen Leben, dann trafen die Wellen die Fähre und er wurde zwischen Dalbe und Schiffswand zerquetscht.

 
    16 Carlo Rosin und Ulf Galle schwiegen betreten während der ersten Kilometer im Auto. Carlo überlegte, ob er zur goldenen Hochzeit zurücksollte, hier hatte er ja nichts mehr zu tun. Aber er wollte als Held zurückkehren, nicht wie ein begossener Pudel, den sie auf die Straße gejagt hatten, und genau so fühlte er sich jetzt.
    Was sollte er erzählen? Und er musste etwas erzählen, sie würden ihn nicht in Ruhe lassen und ihn genüsslich ausquetschen: der Strafverteidiger, der Philosophiestudent und der Jungunternehmer mit seiner Modellagentur … Seine Niederlage würde rasch zu ihrem Sieg werden.
    Er fühlte sich um den Erfolg betrogen. Er machte seiner Wut Luft und schlug heftig gegen das Lenkrad.
    »Warum? Verdammte Scheiße noch mal – wie kann der so mit uns reden? Und wieso ist seine Hühnerfarm gesichert wie Fort Knox?«
    »Fort Knox?«
    Carlo stöhnte. »Stützpunkt der US-Army in Kentucky. Da werden die größten Goldreserven der Welt gelagert und beschützt.«
    »Ja, ja, ich weiß«, sagte Ulf Galle, um nicht dumm dazustehen. Ihm war klar, dass Rosin ihn für ein Weichei hielt. Er wollte in seinen Augen nicht noch zum Idioten werden. Er fügte hinzu: »Dies ist ein freies Land. Der Mann kann seine Hühnerställe sichern, wie er will. Das ist Privatgelände.«
    Noch einmal schlug Carlo Rosin auf das Lenkrad. Eine rote Sicherheitslampe leuchtete auf. Schreckhaft hielt sich Ulf Galle die Hände vors Gesicht. Er befürchtete, beim nächsten Schlag könnten die Airbags herausknallen. Das hatte er mal bei einem Streit mit seiner Freundin in deren Golf erlebt. Seitdem war sie nicht mehr seine Freundin.
    »Aber das ist total überzogen! Und warum – frage ich –, warum zum Teufel spielt die Stadt dabei mit?«
    »Die Stadt?«
    »Stell dich nicht so blöd an, Mensch! Der hat einen riesigen freien Platz vor dem Tor. Das Halteverbotsschild kann er doch da nicht selbst aufgestellt haben! Was, verdammt, versteckt der da? Wovor hat der Angst?«
    »Einbrecher? Diebe?«, schlug Ulf vor und ärgerte sich sofort über seine eigene unhaltbare These.
    »Klar«, spottete Carlo Rosin. »Hühnerdiebe.«
    Er fuhr den Fiat aggressiv wie einen Kampfpanzer im Fronteinsatz. Er kannte sich selbst so gar nicht. Etwas weckte den Rambo in ihm. Es war ein neues Gefühl. Er wusste noch nicht, was er davon halten sollte. In seiner Beziehung war er ein eher sanfter Mann. Klug und reflektiert versuchte er, durchs Leben zu kommen, ohne den anderen Menschen oder der Umwelt zu viel Schaden zuzufügen. Aber etwas geschah gerade mit ihm und er wusste nicht, was er davon halten sollte.
    Vor allem war Carlo ganz froh, jetzt nicht bei der Feier zu sein. So wie er jetzt drauf war, hätte er sich die dummen Anspielungen von dem Modeaffen, dem Philosophiestudenten oder dem Rechtsverdreher nicht lange gefallen lassen,

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