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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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…«
    Als wäre sein Stichwort gefallen, richtete Helmut Schwann, der Steuerrechtler, sich auf. »Genauso ist es!«, rief er. »Wir leben in einem Rechtsstaat!«
    »Helmut, du solltest dich da raushalten. Reicht dir der Golfball noch nicht?«, zeterte neben ihm seine Frau und wollte ihn auf seinen Stuhl zurückdrücken. Aber der Steueranwalt schüttelte sie ab und suchte mit seiner Digicam das Gesicht von Jens Hagen.
    Doch der winkte ab: »Nun wollen wir mal nicht übertreiben … Es gibt doch da so einen Schnelltest. Wir versuchen jetzt erst mal einen Arzt aufzutreiben und dann sehen wir weiter.«
    Die alte Frau Symanowski bekam an der frischen Luft Platzangst. »Ich will hier raus …«, japste sie. Die Luft wurde ihr knapp. Es gelang ihr nicht mehr, richtig auszuatmen, es kam ihr vor, als hätte sie statt Sauerstoff Beton in den Lungen.
    Da flog die zweite Bierflasche, begleitet von lautem Gejohle.
    Zwei junge Männer versuchten, unter dem Beifall von etlichen Fahrgästen über die Reling an Land zu springen. Einer von ihnen, Lars Kleinschnittger, wurde im Fallen von Hartmanns Baubrett getroffen. Er krachte mit dem Rücken gegen das Schiff und fiel zwischen Fähre und Kaimauer in die Nordsee.
    Ein kollektiver Aufschrei begleitete seinen Sturz und gab den beiden Polizisten Jens Hagen und Oskar Griesleuchter sofort wieder ihre Autorität zurück.
    Jens Hagen entriss dem verblüfften Architekten aus Düsseldorf das Stahlrohr und hielt es nach unten, dem abgestürzten Kleinschnittger entgegen. Der patschte wie ein Hund im Wasser und kreischte.
    »Bleiben Sie ruhig! Nehmen Sie die Stange, halten Sie sich fest und ziehen Sie sich hoch!«, verlangte der Polizist.
    Oskar Griesleuchter bat die Umstehenden, Abstand zu halten, und sagte: »Machen Sie Platz, machen Sie Platz, Sie haben schon genug Unheil angerichtet.«
    Kleinschnittger klammerte sich an die Gerüststange und Jens Hagen versuchte, ihn hochzuziehen. Das Schiff schwankte bedenklich.
    »Zurück! Volle Kraft zurück!«, forderte Oskar Griesleuchter vom Kapitän und winkte zur Brücke.
    Kleinschnittger rutschte an der glatten Stange ab und stürzte ins Wasser zurück. Er krachte mit der rechten Schulter gegen die Schiffswand. Die Schulter brach mit einem ekligen Geräusch, das dem Steueranwalt auf den Magen schlug. Er rief: »So helfen Sie dem Mann doch!«
    Zunächst sah es aus, als würde Lars Kleinschnittger nicht mehr auftauchen. Oskar Griesleuchter zog schon seine Jacke aus.
    »Spinnst du?«, fragte Jens Hagen. »Du kannst doch da nicht reinspringen.«
    »Aber der schafft das nicht allein! Das geht schief!«
    »Holt den Mann da raus!«, schrie Lukka jetzt.
    Kai Rose wandte sich ab und versuchte, die Kinder wegzubringen. Sie sollten das, was jetzt geschah, nicht sehen. Vor der Treppe zu den Restaurationen standen dichte Menschentrauben. Alle machten Kai Rose Platz und hielten Abstand von ihm und den Kindern.
    Dennis nieste noch einmal. Sein Vater hörte neben sich den Satz: »Der Junge hat ganz glasige Augen.«
    Dann kam Lars Kleinschnittger wieder an die Oberfläche. Er konnte nur noch den linken Arm bewegen. Das Schiff drückte in seinen Rücken. Panisch versuchte er, die nächste Dalbe zu erreichen. Von Bord wurden zwei Rettungsringe ins Wasser geworfen, aber Lars Kleinschnittger nahm sich nicht die Zeit, einen davon zu ergreifen. Er hatte keine Angst zu ertrinken. Er fürchtete, zerquetscht zu werden.
    »Halten Sie sich ganz nah an der Kaimauer. Nur keine Panik, wir holen Sie da raus!«, versprach Oskar Griesleuchter. Er hatte inzwischen nur noch Hemd und Boxershorts an. Seine Dienstwaffe lag samt Gürtel und Hose am Kai.
    Eine Welle hob das Schiff gegen die Dalben. Es knarrte und knirschte. Lukka, die an der Reling stehen geblieben war, sah, wie verzweifelt Lars Kleinschnittger um sein Leben kämpfte, und übergab sich. Die Menschen sprangen zur Seite, um nicht von Erbrochenem getroffen zu werden, das der Nordseewind großzügig verteilte. Lukka hielt den Kopf weit über die Reling und übergab sich ein zweites Mal ins Wasser.
    Alle Silbermöwen flatterten jetzt gleichzeitig hoch, doch nicht, um sich auf das Erbrochene zu stürzen. Es war, als ahnten sie, was jetzt geschehen würde.
    Jens Hagen sah zu den Möwen. Ihm waren diese Raubvögel unheimlich. Ihr Verhalten machte ihn nervös. Er konnte ihre Schreie unterscheiden. Meist trieb sie Gier um, aber manchmal warnten sie die Menschen auch. Zweimal hatte er vor einem Verkehrsunfall die Reaktionen der

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