Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
so. Dreißigmal drücken, dann zweimal Beatmung.«
    »Halt die Klappe!«, fuhr Margit ihn an und setzte die Mund-zu-Mund-Beatmung fort. Sie traute sich nicht, auf den Brustkorb ihrer Tochter zu drücken. Ihr waren doch gerade erst die Rippen gebrochen worden. Sie hatte das Gefühl, in etwas unnatürlich Weiches zu greifen, und befürchtete, schon bei leichtem Druck mit der Hand in den Brustkorb einzubrechen.
    Margit liefen die Tränen übers Gesicht, während sie tief Luft einsaugte und mit einem langen Stoß in den Mund ihrer Tochter ausatmete.
    »So nicht, so nicht, du pumpst sie ja auf wie einen Luftballon! Sie ist viel zu klein. Ihre Lunge ist nicht so groß wie deine. Was machst du denn?«
    Margit sah ihn von unten an. Ihr Blick hatte etwas Schlangenhaftes. Selbst ihre Zunge, die zweimal hervorschoss, wirkte auf ihn reptilienhaft.
    »Halt keine Volksreden! Kümmere dich lieber um Dennis!«
    »Du hörst ja, was hier los ist«, flüsterte Benjo jetzt ins Handy. »Kannst du nicht versuchen, uns Hilfe zu organisieren? Ein Rettungshubschrauber … wir brauchen sofort einen Rettungshubschrauber.«
    »Ja«, sagte Chris, »ich werde alles tun, um ihn dir zu schicken, Liebster. Alles. Ich rufe Gott und die Welt an. Ich werde beten. Notfalls baue ich dir einen.«
    »Danke«, sagte er. »Danke. Ich liebe dich so sehr, Chris.«

 
    34 Dr. Maiwalds glasige Augen und seine fiebrigen Wangen machten Linda viel mehr Angst als die aufgebrachten Menschen, die das Krankenhaus zu stürmen drohten. Einige wollten ihre Verwandten herausholen, um sie nicht »dem Großangriff der Killerviren« zu überlassen, andere wollten hinein in das Gebäude, auf der Suche nach Hilfe und Behandlung.
    Dr. Maiwald trug die ganze Zeit einen Mundschutz. Allerdings nicht aus Angst, sich anzustecken, sondern weil er befürchtete, die Viren weiterzugeben.
    Linda berührte ihn mit der Hand an der Stirn, wie seine Mutter es früher oft getan hatte, bevor sie ein Fieberthermometer holte.
    »Sind das die Nebenwirkungen von Tamiflu?«, fragte sie.
    Er schüttelte resigniert den Kopf. »Nein, ich fürchte, das Zeug wirkt überhaupt nicht.«
    »Soll das heißen …?«
    »Ja, wir haben es mit einem resistenten Virenstamm zu tun. Diese Teufelsbrut ist nicht so leicht zu bekämpfen. Die Viren haben gelernt, haben sich verändert und angepasst. Das ist eine Spezies, die nur ein Ziel hat: zu überleben. Dabei vernichtet sie den Wirt, der sie ernährt.«
    »Du hast dich angesteckt?«, fragte sie.
    »Zweifellos«, antwortete er.
    »Was hast du vor?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Was schon? Weitermachen, so lange ich kann.«
    »Und dann?«
    »Dann leg ich mich zu den Kranken.«
    Ihr Gespräch wurde durch einen Anruf vom Robert-Koch-Institut unterbrochen. Man wollte von dort eine Forschergruppe zu ihnen schicken.
    Dr. Maiwald hustete: »Ihr Forscherdrang in allen Ehren, aber wir bräuchten ein paar praktische Ärzte und Spezialisten, die die Epidemie eindämmen können. Wir wissen gar nicht, wie viele Tote es in Emden bisher gegeben hat. Wer soll das feststellen? Hier im Krankenhaus gab es in den letzten Stunden vier Todesfälle. Hinter vielen Türen werden Tote liegen. Andere sterben, ohne dass diagnostiziert wurde, woran. Nach unseren Beobachtungen tötet das Virus zwei bis drei Tage nach der Ansteckung.«
    »Ja, das entspricht auch den Berichten aus den USA. Wir sind in ständigem Austausch mit dem National Institute of Health.«
    »Haben die ein wirksames antivirales Mittel?«
    Am anderen Ende der Leitung war nur Atmen zu hören.
    »Haben Sie mich verstanden? Gibt es ein wirksames Mittel? Gegen Tamiflu sind die Virenstämme resistent.«
    »Das kann man so nicht sagen«, war die ausweichende Antwort. »Es gibt unterschiedliche Beobachtungen. In einigen Fällen schlägt Tamiflu an, in anderen nicht.«
    »Wie sind die Erfahrungen in den USA? Ist der Verlauf immer tödlich?«
    »Nein, keineswegs. Aber wir haben es mit einer Mortalitätsrate von sechzig Prozent der Infizierten zu tun. Dies sind natürlich keine gesicherten Zahlen, sondern …«
    »Jaja, schon klar, genau wie hier … Wir werden erst Monate später erfahren, was wirklich los war. Wenn überhaupt …«
    Dr. Maiwald brach ab. Ihm wurde schwindlig. Er legte das Telefon auf den Tisch und griff nach der Stuhllehne. Sofort war Linda bei ihm und stützte ihn. Dabei verrutschte ihr Atemschutz.
    Maiwald wusste nicht, ob die Informationen vom Robert-Koch-Institut den Schwindel auslösten oder die verheerende

Weitere Kostenlose Bücher