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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Er wollte seine Fingerabdrücke nicht gerne auf einer Pistole hinterlassen, mit der gerade jemand angeschossen worden war. Gleichzeitig war ihm mulmig zumute, die Beretta jemand anderem zu geben. Zum Glück waren hier genügend Zeugen, die gesehen hatten, wie er an die Waffe gekommen war, und alle sahen den schwer verletzten Fokko Poppinga am Boden liegen.
    Gerade als er zugreifen wollte, zuckte der Essener Haarstylist zurück. Er fühlte sich komisch dabei, die Waffe einem so jungen Menschen zu übergeben. Er schätzte Henning Schumann auf achtzehn, höchstens neunzehn Jahre. Zehn Jahre jünger als er selbst. Er hätte die Pistole lieber Helmut Schwann gegeben, ein Mann in seinem Alter flößte ihm mehr Vertrauen ein.
    Diesen Moment der Unsicherheit nutzte Rainer Kirsch aus. Entschlossen stieß er Henning Schumann weg. Der fiel in die Menschentraube und riss ein paar Leute mit sich. Rainer Kirsch griff nach der Waffe. Es fiel ein zweiter Schuss, bevor der Essener Judoka ihn mit einem schwungvollen O-goshi auf die Schiffsbretter legte und einen Armhebel ansetzte.
    Die zweite Kugel hatte glücklicherweise niemanden getroffen. Die Beretta lag jetzt nicht weit von dem jammernden Kirsch auf dem Boden. Jemand bückte sich und gab sie ganz selbstverständlich an Henning Schumann weiter.
    Der steckte die Waffe in seinen Hosenbund und fragte: »Wie war das mit dem Rettungsboot?«
    In dem Augenblick wurde ihm bewusst, dass die Mündung der Pistole in seiner Hose auf sein Glied gerichtet war. Er hatte keine Übung im Umgang mit Schusswaffen. Er wusste nicht, wie man die Beretta sicherte, folglich zog er die Waffe ausgesprochen vorsichtig aus seinem Hosenbund wieder heraus und betrachtete sie genau.
    Pittkowski stand neben ihm. Er glaubte, Henning Schumann habe die Pistole gleich wieder aus der Hose gezogen, um seine Entschlossenheit und Durchsetzungsfähigkeit zu unterstreichen.
    In diesem Augenblick wurde eine Stimme laut: »Lasst mich doch mal durch! Lasst mich durch! Ich bin Arzt! Es ist ein Arzt gerufen worden!«
    Sofort bildete sich eine Gasse hin zu Fokko Poppinga, der unnatürlich verrenkt auf dem Boden lag. Er war noch immer gefesselt.
    Helmut Schwann zeigte auf ihn, als könne irgendjemand übersehen, wer hier der Schwerverletzte war, und sagte: »Das ist der Mann.«
    Der Arzt stand da wie gelähmt. Einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Die Bewegungen der Menschen waren wie eingefroren. Niemand sagte etwas. Die ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf den Doktor, aber der schüttelte nur langsam den Kopf und sagte mit einem Beben in der Stimme: »Ich … Es tut mir leid … ich bin Zahnarzt. Ich kann das nicht.«
    Die Menschen gerieten in Bewegung. Das Standbild löste sich auf. Sofort kam auch wieder die aggressive Grundstimmung hoch. Sie kehrte sich jetzt gegen den Doktor. Er stammelte herum, um sich zu erklären: »Ich dachte, es müsste ein Arm abgebunden werden oder ein Bein. Aber der Mann hat einen Bauchschuss. Was soll ich da machen?«
    Er hatte einen verkniffenen Zug um Mund und Nase. Beim Sprechen schob er seinen Unterkiefer vor. Sein Gesicht sah dadurch kleiner aus und sein Gebiss wurde noch dominanter.
    Pittkowski rief: »Was ist jetzt? Draußen hauen welche mit dem Rettungsboot ab!«
    Henning Schumann stürmte durch die Gasse, die für den Arzt entstanden war, nach draußen. Er lief zunächst nach Backbord, doch Benjo hatte das Rettungsboot steuerbords hinabgelassen. Die Wellen drückten das Boot vom Schiff weg.
    »Da! Da! Da sind sie!«
    Henning Schumann rannte hin, Schwann folgte ihm.
    Das Rettungsboot war viel zu groß. Es hätten noch zehn Leute darin Platz gehabt, schätzte Schumann. Er rief hinter ihnen her: »He, was soll das? Ihr könnt doch nicht einfach ein Rettungsboot benutzen! Kommt sofort zurück!«
    Kai Rose ruderte wie besessen. Viola lag heiß wie ein Bügeleisen in den Armen ihrer Mutter und Dennis war unter die Sitzbank gerollt. Benjo stand im Boot und zeigte Henning Schumann den Stinkefinger.
    »Wir müssen sie zurückholen«, sagte Schumann, ohne zu wissen, warum überhaupt. Aber er fühlte sich einfach an der Nase herumgeführt. Das Ganze hier untergrub seine Autorität.
    Schwann flüsterte: »Lass die doch ruhig abhauen. Was Besseres kann uns gar nicht passieren. Das sind die Infizierten. Vielleicht sollten wir die anderen Infizierten auch in Rettungsbooten aussetzen. So können wir das Schiff sauber halten.«
    »Welche anderen Infizierten?«, fragte Schumann.
    Schwann zuckte

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